Film „Schwein von Gaza“: Der Moment mit dem Sperma
Ein palästinensischer Fischer macht einen Fang, der ihm absurde Schwierigkeiten bringt. „Das Schwein von Gaza“ kocht einen ausweglosen Konflikt auf seine Essenz ein.
Würde man diesen Film ins All schießen und Außerirdische fänden ihn, könnten wir sicher sein, dass sie uns bis ans Ende aller Zeiten in Ruhe ließen. Nicht dass „Das Schwein von Gaza“ ein schlechter Film wäre, im Gegenteil. Eher ist es so, dass man sich keine Spezies vorstellen kann, die in der Lage wäre, aus dem, was sie hier zu sehen bekommt, Regeln des menschlichen Zusammenlebens abzuleiten.
Es ist genau dieser Effekt, auf den der französische Regisseur Sylvain Estibal in seinem Debüt abzielt, das in Frankreich bislang immerhin 200.000 Besucher ins Kino lockte. „Das Schwein von Gaza“ ist ein irrwitziger Film, der einen ausweglosen Konflikt auf die Essenz einkocht. Je märchenhafter und metaphorischer seine auf Malta gedrehten Szenen daherkommen, desto besser gelingt es ihm, die Abgründe der Völkerverständigungskomödie zu umschiffen und durchblicken zu lassen, wie es sich anfühlen muss, in Gaza zu leben.
Erzählt wird die Geschichte eines armen Narren. Der Fischer Jafaar kann in Gaza als Palästinenser kaum überleben. Die Israelis erlauben es nicht, mit dem Fischkutter weit herauszufahren, und so zieht Jafaar nur winzige Sardinen aus dem Meer. Doch eines Tages entdeckt er zu seinem großen Grauen ein Schwein in seinem Netz.
Was tun mit dem Tier, das sowohl den Muslimen als auch den orthodoxen Siedlern in der Nachbarschaft als unrein gilt? Töten kann der freundliche Jafaar es nicht. Doch dann hört er von einem heimlichen Zuchtprojekt in der Siedlung. Blöd nur, dass die junge Siedlerin Yelena gar nicht das Tier will, sondern nur sein Sperma.
Es ist wahrscheinlich der Moment mit dem Sperma, in dem „Das Schwein von Gaza“ endgültig auf der sicheren Seite angelangt. Denn spätestens jetzt wird dem Zuschauer klar, dass es Sylvain Estebal nicht darum geht, Ursachen und Wirkungen des Nahostkonflikts zu analysieren. Vielmehr gewinnt der Film an Glaubwürdigkeit, wo er an Bodenhaftung verliert, wo etwa Jafaar einem jüdischen Soldaten erlauben muss, das mühsam gewonnene Sperma in der Annahme zu trinken, es handele sich um einen wirksamen Kräutertrank – oder wo Jafaar zum Märtyrer gemacht werden soll, die gewünschte Explosion aber nicht einmal den Sprengstoffträger selbst, das Schwein, erwischt.
Respektlose Kalauer wie diese nehmen diesem kleinen, tragikomischen Film alle moralische Last, die ihn hätte erdrücken können. Beinahe scheint es sogar, dass sie auch den Darstellern Luft verschaffen. Jedenfalls schaffen sie es nach Zuspitzungen wie diesen regelmäßig, durch die Hintertür doch noch eine Art Realismus einzuholen.
Kurz nachdem Jafaar etwa das Schwein im Schafpelz durchs Dorf getrieben hat, um unerkannt zu bleiben, hängt Fatima, Jafaars stolze Frau, im schäbigen Hinterhof die Wäsche auf. Dabei trägt sie das neue Glitzerkleid, das ihr Jafaar mit dem Geld fürs Sperma kaufen konnte. Einen lässigeren Hinweis hat man selten bekommen, wie viel Kraft es tatsächlich kosten muss, gegen den dunkelgrauen Alltag anzukommen, der die Menschen in Gaza einklemmt.
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