■ Feudalherr Waigel entert VIP-Lounge in Berlin-Tegel: Wenn Augenbrauen böse werden
Berlin (taz) – Berlin bebt. Die politische Klasse der Stadt zittert. Befürchtet wird, der Umzug von Bonn nach Berlin könnte weiter verschoben werden. Grund: Der für die Finanzierung der Packkartons zuständige Minister wurde vergangenen Donnerstag abend auf dem Flughafen Tegel menschlich tief brüskiert.
Über den Vorfall selbst gibt es unterschiedliche Darstellungen. Fest steht nur, daß Theo Waigel wegen eines Defekts einer Fokker- Friendship (Baujahr 1962) der Bundesluftwaffe in Tegel Aufenthalt hatte. Der Tagesspiegel (Tsp): „Die Panne des Fliegers, der aus alten DDR-Beständen stammt, unterbrach jäh eine zweitägige Inspektionsreise beim ostdeutschen Zoll, die bis dahin von Waigel und den ihn begleitenden Journalisten als recht gelungen empfunden wurde.“ Es wurde beschlossen, in der VIP-Lounge „Senator“ der Lufthansa (LH) um Asyl zu bitten.
Doch was geschah dann? Herrschte die Empfangsdame den Minister „im Befehlston“ (Tsp) an, „scholl“ (Berliner Morgenpost/ BM) ihm die Frage nach der VIP- Card barsch entgegen, oder gab es eine „Begrüßung der LH-Dame: Guten Tag, Ihre Senator-Card, bitte“ (BZ)? Sagte der CSU-Chef darauf: „Ja, ich habe eine solche Karte. Aber ich hole sie jetzt nicht raus“ (Süddeutsche Zeitung/SZ); oder, „er besitze schon kraft seines Amtes einen solchen Ausweis, habe ihn allerdings nicht dabei“ (Tsp); oder: „Kennen Sie mich nicht“ (BZ)? Durfte „Waigel zunächst einmal Platz nehmen“ (Tsp), oder „hieß es prompt, ohne Karte dürfe er nicht hinein“ (BM)? Und wie ist die Aussage des Leiters der Flughafen GmbH, Grosch, zu deuten: „Den Herrn Waigel erkennt man doch schließlich an seinen buschigen Augenbrauen.“
Das Weitere läßt sich so rekonstruieren: „Ich bin der Bundesfinanzminister, und wir setzen uns jetzt dort hin“ (Waigel/BZ); „die neuen Gäste bedienen sich im Vip- Regal“ (BM); der LH- Betriebsleiter kommt und weist die wie Schwammspinnerraupen Eingefallenen darauf hin, „wie schlecht es uns geht“ (Tsp); Augenbrauen- Sprecher Christian Kastrop kontert, „daß die Linie immerhin zu 51 Prozent dem Bund gehöre und Waigel damit zuständig sei“ (SZ); über sein Bonner Büro versucht Waigel direkt beim LH-Boß Jürgen Weber zu intervenieren; Skandal: „Auch beim Telefonieren bekam Waigel keine Vorzugsbehandlung“ (BZ); der Betriebsleiter will dem Personal Überstunden ersparen – ab 22.30 Uhr mache er von seinem „Hausrecht Gebrauch“ (Tsp); andere Gäste beklagen sich über die lärmende und unschicklich gekleidete Gruppe: Waigel trägt „grün- weiß gestreiftes Camping-Hemd, blaue Jeans“ (BZ).
Um den „Bonn-Befürworter“ (Tsp) in der Umzugsfrage milde zu stimmen, läßt nun die Flughafen GmbH einen roten Teppich – aus für ihre Qualität berühmten handgepflückten kaukasischen Augenbrauen – knüpfen. Und die Lufthansa will dem zuständigen Minister bei neueingestellten Stewardessen das „Recht der ersten Nacht“ einräumen. Nur: Wird das Berlin noch retten können? Herr Thömmes
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