Fernsehfilm "Das dunkle Nest" im ZDF: Priester sein dagegen sehr
Kirche, dörfliche Romantik und ein Mord. Der Fernsehfilm der Woche wird dem Niveau im deutschen Fernsehen gerecht ("Das dunkle Nest", 20.15 Uhr, ZDF).
![](https://taz.de/picture/239221/14/47566-0-30_331843.jpg)
Ein bisschen dürfen einem die Schauspieler im deutschen Fernsehen schon leidtun. Ihr Schicksal scheint es zu sein, dass sie regelmäßig viel besser sind als die Drehbuchautoren. Oder als die Fernsehredakteure, die die Drehbücher bei den Drehbuchautoren in Auftrag geben und abnehmen. Oder als das Publikum, das angeblich genau solche Drehbücher verfilmt sehen will. Der ZDF-Thriller "Das dunkle Nest" ist dafür exemplarisch.
Katharina Müller-Elmau, Petra Schmidt-Schaller, Peter Lerchbaumer, Johann von Bülow, Andreas Schmidt - alle holen aus ihren Rollen raus, was eben rauszuholen ist; allein Christian Berkel trägt in seiner Hauptrolle eine Spur zu dick auf.
Sogar "Tatort"-Kommissar Axel Milberg wurde verpflichtet, für nur eine einzige Szene. Was für eine Besetzung also. Was für ein Film aber: "Ihr werdet ja immer mehr. So voll hab ichs bisher nur im Wirtshaus gesehen! - Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes …" So beginnt Christian Berkel alias Gabriel Reinberg seine Predigt.
Wer dabei an Father Brown denkt, liegt nicht ganz falsch; Christian Berkel ist hier Kirchenmann und "Kriminalist" zugleich, und wie in seiner gleichnamigen Viktimologen-Serie darf er wieder fleißig psychologisieren. "Ein promovierter Theologe und Psychologe als Dorfpfarrer!", die Kommissarin (Müller-Elmau) kann's nicht fassen. "Die Täter und ihre Schuld …", heißt ein Buch, das der Psycho-Priester früher mal geschrieben hat. Und da hat sich Autor Andreas Dirr gedacht, das passt doch aber wie die Faust aufs Auge. Schließlich ist doch dieser ganze Schuldkomplex das Grundmotiv der christlichen Metaphysik.
Dr. Gabriel Reinberg ist sich im Grunde also treu geblieben. Früher nämlich hat er Kriminalprognosen für sicherungsverwahrte Straftäter gestellt. Das machen im wirklichen Leben zwar eher die forensischen Psychiater und nicht die Psychologen, aber geschenkt, es ist ja kein Dokumentarfilm. Deshalb sollte man auch nicht weiter über den Grund des Besuchs der Kommissarin grübeln. Sie kommt wegen eines alten Gutachtens. Das befindet sich nicht etwa bei den Akten, der Exgutachter hat es bei sich zu Hause liegen. Das einzige Exemplar.
Just verschwindet die Lieblingsministrantin
Und, Zufälle gibt es, just an diesem Abend verschwindet seine zwölfjährige Lieblingsministrantin, wird am nächsten Morgen tot im Wald gefunden. Irgendwann gerät natürlich auch der Priester unter Verdacht: "Jemand, der jahrelang seinen Schwanz einklemmt, muss irgendwann explodieren!"
Päderasten in Talaren und das Kreuz mit der Sicherungsverwahrung sind Themen von großer Aktualität, weshalb ihre Behandlung durchaus auch Teil des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags sein könnte, sollte. Bloß dienen sie hier nur als Dekor für einen darunter ganz konventionellen Schema-F-Thriller. Denn natürlich ist unser Pater Reinberg/Brown ganz unschuldig, auch entpuppt sich der Mord nicht als die Tat eines notorischen Sexualverbrechers.
Es sind am Ende, wieder einmal, die Schatten der Vergangenheit, ein lange zurückliegendes Unrecht, dazu ein bisschen katholische Folklore und thrillerbewährte Dorfmystik: "Der Schnee im Wald bringt den Tod, sagen die Leute im Dorf." So furchtbar schlecht ist dieser "Fernsehfilm der Woche" von Regisseurin Christine Hartmann letztlich gar nicht. Unterdurchschnittlich aber auch nicht, gemessen am allgemeinen Niveau. Leider.
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