Fernseh-Debatte bei Anne Will: Terror in der Luft
Eigentlich sollte es um die Opfer gehen und die Lehren aus dem Terrorismus der RAF. Am Ende ging es doch nur um die Täter und die Freilassung von Ex-Terrorist Klar.
![](https://taz.de/picture/369898/14/10_Terror_i_d_Luft_Mogadiscut.jpg)
BERLIN taz Von Mogadischu nach Mumbai, das war die gesteckte Route, die sich die Diskussionsrunde am Sonntag Abend bei Anne Will zum Ziel gesetzt hatte. "Terror in der Luft - Mogadischu und die Lehren", so der Titel der Sendung. Was dann kam, war aber kein erhellender Blick auf das, was wir heute aus den Ereignissen von damals lernen können. Über weite Strecken ging es um die Freilassung des früheren RAF-Terroristen Christian Klar.
"Das ist vermut... Das ist rechtens in unserem Staat, die Gesetze sind nunmal so, das Gericht konnte ja gar nicht anders handeln", sagte Jürgen Vietor, Kopilot des 1977 von der RAF entführten Flugzeugs Landshut. Unbeabsichtigt offenbarte sein Versprecher die Unzufriedenheit darüber, dass jemand wie Christian Klar frei kommt. Später fand er noch deutlichere Worte: "Die Todesstrafe ist ganz human. Da macht es einmal Peng, dann ist die Sache erledigt", sagte er erregt. Er als Betroffener sei für ein "Auge um Auge, Zahn um Zahn".
Jürgen Vietor hatte damals mit ansehen müssen, wie Kapitän Schumann vor seinen Augen erschossen wurde. Hautnah erlebte er den fünf Tage währenden Terror, bangte um sein Leben und das der Passagiere an Bord des Flugzeugs. Derart von den Ereignissen betroffen wunderte sich niemand im Saal, dass er wenig Mitleid mit dem damaligen RAF-Terroristen Klar hat. Angesichts dessen Freilassung hat er im November sein Bundesverdienstkreuz zurück gegeben, das er damals für seine besondere Tapferkeit erhalten hat.
Allein Gerhart Baum (FDP), damals parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, hielt hier dagegen. Vietor solle seine Entscheidung bitte überdenken, sagte er eindringlich. Es sei doch eine Ehrung für sein mutiges Eintreten damals, dieses Faktum bleibe ja schließlich bestehen. Baum war auch der einzige an diesem Abend, der vehement darauf hinwies, dass Klars Freilassung rechtmäßig ist. Es sei eben keine Verhöhnung der Opfer, hielt er Vietor entgegen. Der Rechtsstaat sei an das Grundgesetzt gebunden. Dort sei verankert, das eine lebenslange Strafe keine ist. Es gebe für alle Täter, auch die schlimmsten, die Perspektive, irgendwann in die Gesellschaft zurückzukehren, so Baum.
Aber selbst der Publizist Peter Scholl-Latour äußerte sich missverständlich. Ihm sei es "scheißegal", was mit Klar passiere. Wenn wir Gesetzte hätten, die die Hinrichtung vorsähen, dann wäre es ihm auch egal, wenn man Klar hinrichten würde, so der 84-Jährige wörtlich. Auf nochmaliges Nachhaken von Frau Will fand er dann aber doch, er sei keineswegs für die Todesstrafe. Außer dieser flapsigen Aussage hatte er an diesem Abend nicht viel zu sagen. Erst später sollte er noch einmal kurz zu Wort kommen. Kurz vor Ende der Sendung nämlich, als Mumbai und die dortigen Anschläge endlich doch noch zur Sprache kamen.
Bereits die Einblendung, die Peter Scholl-Latour als "Islam-Experten" auswies, zeigte, in welche Richtung es nun gehen würde. Hin zum Terror der Gegenwart, der schon fast zwangsläufig islamistischer Natur zu sein scheint. Mit großem Pathos wurde das Bild eines gewalttätigen, islamischen Terrors gezeichnet, kein Wort von der ETA, kein Wort von PKK und IRA.
Der geladene GSG-9-Experte Dieter Fox zeichnete statt dessen ein anschauliches Bild einer vermeintlich terroristischen Kultur, freilich ohne den Islam dabei explizit zu nennen. Die Kultur des Terrorismus habe sich im Vergleich zur RAF sehr verändert, so Fox. Die Täter seien heute nicht mehr berechenbar, gäben sich dem Tod hin und hätten keine Furcht mehr um ihr eigenes Leben. Die Mentälität eines Volkes gehöre da auch dazu, betonte er. Besonders perfide: Sein Beispiel einer vierköpfigen Familie, die in ein Hotel kommt. Man könne nicht wissen, ob nicht alle vier einen Gürtel um den Bauch tragen, so Fox wörtlich.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Krisentreffen nach Sicherheitskonferenz
Macron sortiert seine Truppen
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen