: Ferien mit Tante Ingeborg Von Uli Exner
Seit gestern ist sie da. Braungebrannt – von Mallorca. Und allerbester Stimmung, weil Onkel Herbert sich mal wieder nicht so richtig benehmen konnte. Weshalb sie jetzt auch alleine nach Hamburg gekommen ist. Tante Ingeborg. „Vier-Wochen-ohne-den-Kerl-ach-das-wird-erholsam-Der-soll-mal-den-Garten -auf-Vordermann-bringen-Da-kommt-er-wenigstens-nicht-auf-dumme-Gedanken- Kannste-mal-die-Koffer-ausm-Abteil-holen?“ Klar, Tante Ingeborg.
Eigentlich waren wir ja davon ausgegangen, daß Tante Ingeborg samt Onkel Herbert und dann auch „nur-mal-drei-Tage-vorbeikommen“ wollten, „um-ein-bißchen-Hamburger-Luft-zu-schnuppern“. Aber Tanten haben ja so ihre Eigenarten. Mindestens drei Koffer zum Beispiel, plus Beauty-Case, was bei der Hitze schon ein bißchen blöd ist, wenn man sich so gar nicht zum Möbelpacker eignet.
Nicht, daß hier ein falscher Eindruck entsteht. Tante Ingeborg ist noch ganz agil für ihr Alter, die vier Treppen nach oben läßt sie lässig hinter sich, den Koffer-Kuli erst recht. „Ach-habt-ihr's-hier-schön!-Und-wo-soll-ich-schlafen?-Och-macht-euch-das -wirklich-nichts-aus-vier-Wochen-auf-der-Luftmatraze?“ I wo, Tante Ingeborg. „Und-was-machen-wir-heute-abend?“
Verwandte, zumal wenn sie aus Celle kommen, haben ein relativ differenziertes Bild von Hamburg: Hafen, Hafen, Hafen. Schon aus diesem Grund mußte unser Versuch scheitern, Tante Ingeborg am ersten Abend in die Gartenkneipe um die Ecke zu schleifen. „Also-wenn's-euch-nichts-ausmacht-ich-würde-lieber-an-die-Elbe-fahren.“ Wobei sie „euch“ und „ich“ in einer Weise betont, die Widerspruch zwecklos erscheinen läßt. Man möchte es sich ja nicht gleich am ersten Abend verderben.
Also verbringen Tante Ingeborg, Tante Ingeborgs Nichte und ihr Chauffeur den ersten gemeinsamen Abend – „Kinder-das-wird-ne-herrliche-Zeit“ – vor dem „Alten Lotsenhaus“ in Neumühlen. Und warten. Auf die Scholle Finkenwerder Art zum Beispiel, die Tante Ingeborg allerdings lieber „ohne-Speck-dafür-mit-Petersilienkartoffel-statt-Kartoffelsalat“ verspeisen möchte. Was erst im zweiten Anlauf klappt und der Tante zu einem Schwätzchen mit dem zur Fülle tendierenden Krawattenknoten vom Nachbartisch verhilft.
Sie: „Warten-Sie-auch-schon-so-lange-auf-ihr-Essen?“
Er: „Grunz“.
Sie: „Also-bei-uns-in-Celle-da-haben-wir-einen-Kellner-also-sowas-von-fl ott.“
Er: „Hmmm“.
Sie: „Aber-man-muß-ja-Verständnis-haben-bei-dem-Betrieb-hier-muß-man-ja- Verständnis-haben.“
Er: „Hmmmhmmm“.
Tante Ingeborg hätte das Gespräch sicher gerne noch fortgesetzt, aber erstens wären die Petersilienkartoffeln kalt geworden und zweitens hätten sich dann doch allzuviele berühmte Elbspaziergänger unbemerkt an ihr vorbeidrücken können. „Den-kenn-ich-das-ist-doch-genau-der-spielt-doch-ja-diese-Serie-im-Erste n-wie-heißt-sie-doch-gleich?-Ist-das-nicht?-Morgen-müssen-wir-unbedingt- nach-Blankenese.“
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