Feridun Zaimoglu, Autor und Übersetzer : Freund des Wahnsinns
■ Autor, Übersetzer und bildender Künstler. Widmet sich Prosa, Shakespeare und der politischen Diskussion. Foto: dpa
Man kann Feridun Zaimoglu vieles vorwerfen, aber für Neues ist der Mann immer zu haben, für Polemik ohnehin. Ein Reich-Ranicki der Linksintellektuellen mit Migrationshintergrund, nur eben jünger. Mit Ranicki verbindet ihn die Liebe zu Klassikern, in Zaimoglus Fall ist das Shakespeare, dessen Hamlet er gerade gemeinsam mit Günter Senkel für das Thalia-Theater übersetzt hat. Aber nicht zu nahe am Original, bewahre. Das hat er mit gewohnter Deutlichkeit erklärt: „Ich hasse Originaltreue wie die Pest“, sagte er. „Wir müssen stattdessen den Wahnsinn, den Irrsinn, die existenziellen Bedingungen auf die heutige Zeit übersetzen.“
Der Wahnsinn, oder zumindest das Gefühl jenseits der öden Normaldosierung, zieht sich als roter Faden durch seine Texte. Sei es in seinem Roman „Liebesbrand“, in dem er ausgehend von einem schweren Busunglück – Ähnliches hatte er zuvor mit seiner Mutter erlebt – eine Liebesgeschichte erzählt oder in dem zuvor erschienenen Roman „Leyla“, der Geschichte einer türkischen Einwanderin in Deutschland.
Zaimoglu, der 1965 als Baby mit seinen Eltern aus der Türkei nach Deutschland gekommen ist, hat in seinem ersten Buch „Kanak Sprak“ die Sprache junger türkischstämmiger Männer literaturfähig gemacht. Das ist nebenbei sehr lustig, wurde aber auch Anstoß zur Gründung der gleichnamigen Gruppe, die sich als Feinde des „Mültikültüralizm“ gegen pauschal zugeschriebene Gruppenidentitäten wenden.
Zaimoglu, der inzwischen aus der Gruppe ausgeschieden ist, hat sich immer wieder auch sehr direkt in die Politik eingemischt. Unter anderem als Teilnehmer der Deutschen Islamkonferenz. Wenig überraschend eckte er auch dort an, weil er Necla Kelek und Seyran Ateș wegen ihrer Kritik am Kopftuch, das er selbst „Schamtuch“ nennt, angriff. Er selbst sieht sich als „altmodischen Humanisten“ und kürzlich war er Stipendiat in Rom.
Trotz oder gerade wegen der Reste einer Enfant-Terrible-Existenz hat ihn der Kulturbetrieb lieb gewonnen. Und ihn mit zahllosen Preisen beworfen. Die Stadt Kiel, der er seit Jahren die Treue hält, hat gerade bekundet, stolz auf ihren Bürger zu sein.FRIEDERIKE GRÄFF