Feminismus Ost? Fehlanzeige! : Tschechien: Die Brüste der Schulministerin
VON ULRIKE BRAUN
Keine Kompromisse: Kind und Karriere. Das war der heute 29-jährigen Pavla besonders wichtig, als sie sich vor vier Jahren für ihr erstes Kind entschied. Noch in der Schwangerschaft suchte und fand die technische Zeichnerin eine Kindertagesstätte in der Nähe ihrer Plattenbauwohnung in der Prager Südstadt. „Nach nur acht Monaten Mutterschutz war ich zurück am Reißbrett“, sagt die Mutter einer inzwischen dreijährigen Tochter. „Ohne Kindertagesstätte hätte ich mein erstes Kind wohl noch eine Weile hinausgezögert.“
Trotz sinkender Gebärfreudigkeit bleibt die klassische Familie das Ideal der tschechischen Gesellschaft. Ein Ideal, das so eigentlich schon lange nicht mehr existiert. „Bei uns haben die meisten Frauen die Doppelbelastung Familie und Beruf. Unter den Kommunisten wurde die Erwerbstätigkeit von Frauen vorangetrieben, dafür hat der Staat natürlich für Einrichtungen wie Kinderkrippen gesorgt“, erklärt Michaela Marksová-Tomínová vom Institut für Gender Studies in Prag. Eine Doppelbelastung ist es schon deswegen, weil frau sich neben Beruf und Kindererziehung meist ausschließlich allein um den Haushalt kümmere, meint Marksová-Tomínová. „Tschechische Männer sind größtenteils recht unselbstständig und von ihren Müttern her gewöhnt, dass frau trotz Berufstätigkeit auch noch den gesamten Haushalt schmeißt“, sagt sie.
Ist das größte Problem der tschechischen Frau also der tschechische Mann? Der erwartet, sie verfolge ihre Karriere als Nebenjob, während sie im Hauptberuf am Herd bleibt? Tatsache ist, dass es kaum Frauen in Spitzenpositionen gibt, obwohl 90 Prozent der Tschechinnen erwerbstätig sind. Die schwerste Diskriminierung aber liegt im geschlechtsbedingten Missverhältnis zwischen den Löhnen. „Der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern ist seit Anfang der 90er-Jahre konstant gewachsen“, sagt Marksová-Tomínová verärgert. Verdiente eine Hochschulabsolventin 1996 noch knapp 75 Prozent des Gehalts ihres männlichen Kollegen, so sind es heute noch knapp 65 Prozent. Und das, obwohl die Novelle des Arbeitsgesetzes aus dem Jahre 2001 dem Arbeitgeber eindeutig auferlegt, Männer und Frauen gleich zu behandeln, was Arbeitsbedingungen, Training, Beförderungen und Gehälter betrifft.
Jedoch: Trotz offensichtlicher Diskriminierung ist bis heute kein Fall bekannt, in dem eine Frau auf gleiches Gehalt geklagt hätte. Marksová-Tomínová sieht das philosophisch: „Wir sind ein passives Volk, und die Frauen hier sind noch eine Nuance passiver. Wenn sich eine ihr Recht vor Gericht einklagen wollte, würden alle um sie herum sagen, sie sei doch blöd.“
Gerichtliche Streitigkeiten erwartet der Gesetzgeber allerdings, was sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz betrifft. Erst vor kurzem hat der Senat, die zweite Kammer des tschechischen Parlaments, einen Gesetzesvorschlag abgelehnt, der sexuelle Belästigung unter Strafe stellen wollte. Ein solches Gesetz, so die Senatoren, berge ja schließlich auch Gefahren für Männer, denn sexuelle Belästigung sei schwer nachzuweisen. „Hier herrscht noch der Glaube, dass eine Frau gar nicht sexuell belästigt werden kann, wenn es ihr nicht gefällt“, sagt Marksová-Tomínová.
Dass frau von ihren Kollegen in erster Linie als sexuelles Wesen wahrgenommen wird, davon kann Schulministerin Petra Buzková ein Lied singen. Jedenfalls scheinen die Brüste der sozialdemokratischen Politikerin mehr wahrgenommen zu werden als ihre politische Arbeit. So zierten sie vor ein paar Jahren, während eines Urlaubs Buzkovás heimlich fotografiert, die Titelseite des Boulevardblattes Blesk.
Als Buzková sich vor wenigen Monaten aus gesundheitlichen Gründen einer Brustverkleinerung unterzog, wurde dies sogleich zum Tagesthema im tschechischen Abgeordnetenhaus. Er habe große Hände, folglich seien ihm große Brüste lieber, meinte ein Abgeordneter in der voreiligen Annahme, die Ministerin würde seine Hände je in die Nähe ihres viel diskutierten Busens lassen. Aber selbst sie saß die Affäre schweigend aus. „Frauen hier wissen nicht, wie sie sich schützen können“, meint Michaela Marksová-Tomínová.