Fela Kuti, ein Volksheld vor Gericht

■ Prozeß gegen Nigerias populärsten Musiker/ In seinem Haus wurde eine Leiche gefunden/ Polizisten drohen mit seiner Ermordung

Berlin (taz) – Fela Kuti, international gerühmter Afro-Beat-Star aus Nigeria, steht seit gestern wieder einmal vor Gericht. Gegen ihn begann ein Mordprozeß, der ihm die Todesstrafe einbringen könnte.

Seit dem 21. Januar, mit einer kurzen Unterbrechung, sitzt der Musiker in Lagos in Untersuchungshaft. An diesem Tag nahm ihn die nigerianische Polizei mit vier seiner Angestellten fest, nachdem in seinem Haus eine Leiche gefunden worden war. Der Tote war Adesanwo Sokoya, Kopf einer Band namens „Egypt 80“, der für Fela Kuti Elektronikarbeiten ausführen sollte. Die Angestellten, so die Anklage, sollen Sokoya auf Anweisung Fela Kutis zu Tode geprügelt haben, weil er Geld gestohlen habe. Da Fela Kuti keine Aussage zu Protokoll gab, wurde er in Haft gehalten. Über die Anklage gab es zunächst keine verläßlichen Angaben.

In dem Prozeß steht nicht bloß ein Musiker vor Gericht. Fela Anikulapo-Kuti – so sein gegenwärtiger voller Name – ist in Nigeria als herausragendster musikalischer Ankläger des Herrschaftssystems bekannt und beliebt. Seine Lieder kennen Millionen, in den Slums der Metropole Lagos ist zur Zeit seine neueste LP Underground Systems der Hit. Den seit 1983 regierenden Militärs ist er seit jeher ein Dorn im Auge. Sein derzeitiger Gefängnisaufenthalt ist der achte in fünfzehn Jahren. Zuletzt wurde er 1985 wegen „Devisenschmuggels“ zu fünf Jahren Haft verurteilt. Seine früheren Delikte waren solch typisch nigerianische Tugenden wie Drogenkonsum oder Fehlverhalten im Straßenverkehr.

Der Ruf des Stars gründet sich auch auf seine Herkunft. Ursprünglich hieß er Fela Ransome- Kuti, Sohn des großen nigerianischen Lehrergewerkschaftsführers Rev. Israel Ransome-Kuti. Die Ransome-Kuti-Familie war schon während der Kolonialzeit die etablierte Opposition in der Yoruba- Stadt Abeokuta. Um keinen englischen Namen mehr tragen zu müssen, ersetzte Fela 1975 das „Ransome“ im Familiennamen durch das Yorubawort anikulapo – „tödliches Schwert“. Seine Brüder behielten den alten Namen bei. Einer, Beko Ransome-Kuti, ist Vorsitzender des nigerianischen Menschenrechtskomitees und leitet auch das Oppositionsbündnis Campaign for Democracy. Ein anderer war in der letzten Militärjunta Gesundheitsminister.

Auch Bruder Beko hat mit der nigerianischen Militärregierung von General Ibrahim Babangida, der sich 1985 an die Macht putschte, seine Schwierigkeiten. Erst seit dem 4. Januar ist der Menschenrechtler wieder auf freiem Fuß. Zuvor war er, wie viele nigerianische Oppositionelle, für einige Tage ohne Anklage ins Gefängnis gewandert, damit der 2. Januar 1993 in Nigeria ruhig verlaufen konnte. Das war nämlich der Tag, an dem die Militärjunta einst ihre Macht an eine gewählte zivile Nachfolgeregierung übergeben wollte. Als der Termin verschoben wurde – auf den 27. August 1993 –, rief die Opposition zu Protesten auf, die dann durch die präventive Verhaftungswelle im Keim erstickt wurden. Mehrere bei dieser Gelegenheit verbotene Oppositionsgruppen, darunter die National Association of Nigerian Students (NANS), sind weiterhin illegal. Die in Enugu ansässige Menschenrechtsvereinigung Awareness League beklagte kürzlich gegenüber der taz, daß vier ihrer Aktivisten noch immer inhaftiert seien. Der prominente Menschenrechtsanwalt Alao Aka-Bashorun sei von den Behörden zur unerwünschten Person erklärt worden und befinde sich nun im Nachbarstaat Benin im Exil.

Die düstere Menschenrechtssituation in Nigeria macht es unwahrscheinlich, daß Fela Kuti beim Prozeß ungeschoren davonkommt. Beko Ransome-Kuti, der auch im Laufe des Jahres 1992 mehrere Male verhaftet und dabei mißhandelt worden war, hat kürzlich versucht, seinem Bruder gegen Kaution die U-Haft zu ersparen. Letzten Montag übergab er den Behörden von Ikeja umgerechnet 12.000 Mark und durfte Fela in Empfang nehmen – nur um mitansehen zu müssen, wie er vor dem Gefängnistor erneut festgenommen wurde. Es gebe „neue Anklagen“, hieß es nachher bei der Polizei. Nach anderen Quellen wurde Fela zum eigenen Schutz in Haft gehalten, da eine Polizeieinheit mit seiner Ermordung gedroht habe, wenn der Musiker freikäme, mehrere zur Zeit im Gefängnis sitzende Beamte aber nicht.

Diese Konfusion deutet darauf hin, daß die nigerianischen Behörden vermeiden wollen, das Verfahren gegen Fela Kuti zu einem Schauprozeß ausufern zu lassen. Nigeria befindet sich derzeit in der schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte – das Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt ist seit Jahren im Sinken begriffen, die Inflationsrate liegt bei 45 Prozent, von den 89 Millionen Nigerianern sind 13 Millionen offiziell arbeitslos – und die Militärs sind so unpopulär wie nie. In einer solchen Situation, in der viele Kommentatoren eine allgemeine politische Paralyse konstatieren, könnte ein öffentlichkeitswirksamer Prozeß gegen den beliebtesten Regimegegner nur Öl ins Feuer gießen. Dominic Johnson