Feilscherei um Bundesrats-Mehrheit: FDP rettet das Konjunkturpaket
Die große Koalition sucht den Kompromiss, um das Konjunkturpaket durch den Bundesrat zu bringen. Die Landesregierungen deuten Zustimmung an.
Die baden-württembergische FDP schien am Donnerstagnachmittag das Konjunkturpaket II gerettet zu haben. FDP- Landtagsfraktionschef Ulrich Noll sagte in Stuttgart: "Es wäre schwer verantwortbar, ein von allen heiß ersehntes Programm im letzten Moment scheitern zu lassen." Mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition Baden-Württembergs jedoch hätte die große Koalition die notwendige Mehrheit auch im Bundesrat endlich beisammen.
Da das rot-grüne Bremen am Donnerstag ebenfalls deutlich machte, dass es bei seinem Ja bleiben will, wäre eine Mehrheit von mindestens 39 zu 30 Stimmen gesichert. Zugeständnisse an die Grünen wären überflüssig - ebenso die von der FDP bis dato geforderten Steuersenkungen.
Was die Schwaben- und Baden-Liberalen für ihre Zustimmung bekommen, blieb am Donnerstag zunächst offen. Sollte es dabei bleiben, hätten sie der Koalition jedenfalls aus einer gewaltigen Patsche geholfen.
Wochenlang hatten Union, SPD und Grüne darum gefeilscht, welches Zugeständnis dem schwarzgrünen Hamburger Senat zu machen wäre, dass dieser dem Konjunkturpaket im Bundesrat zustimmen würde. Sowohl am Mittwoch wie am Donnerstag waren Verhandlungen um die KFZ-Steuerreform gescheitert. Deren ökologische Nachbesserung hatten die Hamburger Grünen verlangt, nachdem sie bereits von einer ökologischen Nachbesserung der Abwrackprämie Abstand genommen hatten.
Donnerstag-Nachmittag jedoch grätschte dem Vernehmen nach Unions-Fraktionschef Volker Kauder in eine Einigung von SPD und Grünen, die noch tags zuvor von SPD-Fraktionschef Peter Struck verhindert worden war.
Zur Debatte stand zuletzt eine leichte Erhöhung der Steuer für große Dieselautos. Danach wäre die Steuer bei Dieselfahrzeugen über 2 Litern Hubraum auf alle 100 Kubikzentimeter um 2,50 auf 12 Euro gestiegen.
Noch am Mittwoch hatte die Gemengelage ganz anders ausgesehen: Da drohte das ökologische Symbol aus Hamburg an der SPD zu scheitern. SPD-Fraktionschef Peter Struck war plötzlich gegen eine Steuererhöhungsdebatte, während die Union zuzustimmen schien. "In letzter Sekunde heißt es dann Nase - Arschlecken", analysierte der Hamburger Senatssprecher Christof Otto diese sozialdemokratische Verhandlungstaktik gegenüber der taz.
Ob FDP-Chef Guido Westerwelle dies am Donnerstag dann auch zum Baden-Württemberger Noll gesagt hat, blieb zunächst offen. Eine ganze Reihe von FDP-Politikern frohlockte am Nachmittag und kündigte an, ihr Ja im Bundesrat von Steuersenkungen abhängig zu machen. "Wir begrüßen, dass die Union nun offenbar zu Gesprächen bereit ist. Um eine wirksame steuerliche Entlastung der Bürger, die nachhaltig Wachstumskräfte entfaltet, muss aber noch gerungen werden. Die FDP will hier nach wie vor Verbesserungen erreichen", sagte etwa Andreas Pinkwart, stellvertretender Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.
Ebenso der bayerische Wirtschaftsminister Zeil. Er sagte am Donnerstag, die Steuerentlastung dürfe "nicht so verteilt werden auf zwei Jahre, dass es praktisch kein Bürger merkt". Bundeskanzlerin Angela Merkel habe "sich hier strategisch völlig verrannt". Außerdem erwarte die FDP Korrekturen an "mittelstandsfeindlichen Elementen der Unternehmenssteuerreform", sagte Zeil. Klingt nach Krach in der FDP.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann