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Feiern ist Pflicht

Winfried Hermann (links) kann ­Bierzelt am besten. Foto: Joachim E. Röttgers

Von unserer Kontext-Redaktion↓

Also Grüne, so wird das nix mit der Baden-Württemberg-Partei. Über Nop­­per lachen, weil er beim Volksfest zur Hochform aufläuft, mit zwei Schlägen das Dinkelacker-Fass ansticht und den Bierkrug zum Symbol der Lebensfreude erhebt. Als „mentales Krisenbewältigungsprogramm“, wie der Oberbürgermeister meint. Da lachen sogar die Stuttgarter Blätter mit, nennen ihn den „Pharao des Festwesens“ und vermuten, der Backnanger habe heimlich im Keller geübt – was er entschieden dementiert. Nein, Grüne, das ist zu kurz gesprungen und zeigt nur euer freudloses Gesicht.

Das mag sich auch der Ministerpräsident gedacht haben, als er sein Kabinett am Montagabend zu sich gerufen hat. Zum „Historischen Volksfest“ in Schmückers Festzelt auf dem Ehrenhof des Neuen Schlosses. Blasmusikanten haben dort Lieder zur Aufführung gebracht, die inhaltlich zu Bedenken Anlass gaben („Mei Vadder sagt, i soll d’Katz verkaufe ond selber mause“), aber darüber musste jetzt hinweggehört werden, weil das Volk bei seinem Fest das so will. Es nimmt dafür auch in Kauf, dass sich seine Regierung vor den Musikanten zum Gruppenfoto aufstellt, hält sich aber beim Beifall zurück. „Rosamunde“ zieht mehr.

Die Schwarzen kennen das. Wasen-sozia­lisiert wie einst Günther Oettinger und Susanne Eisenmann haben sie ihren Spaß daran, während die Ökos so tun müssen, als hätten sie ihn. Sie kämen aus „Pflichtgefühl“, erzählen sie hinter vorgehaltener Hand, wobei davon auszugehen ist, dass die Partizipation ihrem strengen Chef geschuldet ist, der Volksnähe demons­trieren will, was aber schon damals nicht geklappt hat, als er noch die Kommunistische Volkszeitung verkauft hat. Großen Bock auf den organisierten Frohsinn habe auch er nicht, verraten Vertraute, aber viel „Pflichtgefühl“.

Als Ausnahme von der Regel darf auf der Bierbank der Minis­te­r:in­nen Winfried Hermann (Verkehr) gelten. Der stemmt mit Frank Nopper riesige Bierkrüge und schunkelt mit Thomas Strobl (Innen), abgehärtet durch die heimatliche Fasnet im katholischen Rottenburg.

Für die Frauen aus dem Kulturbereich, Theresia Schopper und Petra Olschowski, ist der Wechsel ins Bierzelt schwieriger, zumal sich auch noch Peter Hauk (Landwirtschaft) daneben drängt, der intellektuelle Höhenflüge wenig schätzt.

Danyal Bayaz (Finanzen) fremdelt ebenfalls, ist sichtlich erleichtert, als er Kretschmann für ein Fachgespräch zur Seite ziehen kann, während der U‑Ausschuss-geplagte Strobl die Gelegenheit für eine schnelle Zigarette nutzt.

Als Erster schreitet Rudi Hoogvliet hinaus in den kühlen Abend, den Schal schützend um den Hals geschlungen. Der coole Ex-Sprecher von Kretschmann und heutige Staatssekretär kann es sich leisten, der verordneten Geselligkeit zu entfliehen. In Berlin ist er weiter weg. In Hoog­vliets Sog machen sich die anderen Grünen vom Acker. Nur Kretschmann, 74, bleibt bei den Schwarzen hocken. Er ist die Baden-Württemberg-Partei.

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