: Fax, Satz, Sieg für Fristenhuber
Unser Rechtssystem ist modern. Nachrichten an die Gerichte dürfen auch per Telefax übermittelt werden. Das kommt der deutschen AnwältInnenschaft entgegen, die es gewohnt ist, Fristen bis zur letzten Minute auszuschöpfen.
Doch was, wenn das „gegnerische“ Empfangsgerät defekt ist? Stromausfall, Papierstau, Blitzschlag: Viele Widrigkeiten können einen ordnungsgemäßen Empfang der anwaltlichen Schriftsätze verhindern. Gestern nun sorgte das Bundesverfassungsgericht für Klarheit und entschied den Fall von Anwalt H. aus Hildesheim.
Advokat H. ist auch so einer, der bis zum letzten wartet, um das Gericht dann nach Feierabend noch mit einer dicken Berufungsbegründung zu überraschen. Doch an einem kühlen Frühjahrsabend des Vorjahres hatte er Pech. Sechs Mal wählte er zwischen 19.00 und 20.32 Uhr die Faxnummer des Landesarbeitsgerichts in Hannover, um seine wichtigen Mitteilungen noch fristgerecht einzureichen. Doch was meldet ihm sein Faxgerät? „Keine Verbindung“. So ein Mist! Was würde sein Mandant, der Hallenbadpächter W., nun sagen? Immerhin ging es um viel Geld, das H. nicht selber zahlen wollte. Tatsächlich gab das Gericht dann selber zu: Schon um 18 Uhr des Vortags war im Faxgerät ein Papierstau aufgetreten. Aber die Fristversäumung sei dennoch die Schuld des Anwalts, schließlich hätte er sich ja auch ins Auto setzen und seinen Schriftsatz höchstpersönlich in den Briefkasten werfen können. Nur 30 Minuten hätte er dazu gebraucht, rechneten ihm die Richter vor. In Wahrheit waren es natürlich 60 Minuten, schließlich hätte H. ja auch wieder zurückfahren müssen. Außerdem war schon Feierabend, Fristablauf hin oder her. H. legte gegen diesen unmenschlichen, weil feierabendfeindlichen Beschluß des Landesarbeitsgerichts Verfassungsbeschwerde ein.
Mit Erfolg. Auch das Verfassungsgericht hält den Feierabend von AnwältInnen für schützenswert. Wenn ein gerichtliches Faxgerät defekt sei, dürften die Anforderungen an RechtsanwältInnen „nicht überspannt“ werden, die „Betriebsgefahren“ für den Apparat müsse das Gericht schon selber tragen. So ist's recht. Ein klarer Sieg für den gesunden Menschenverstand – und die anwaltlichen FristenhuberInnen. Christian Rath
Faxrolle: taz-Archiv
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