Fast alle glücklich

Ozeanisch ausufernd: Mars Volta spielten im Huxleys und rehabilitierten das Gespenst des Prog-Rocks

In der Warteschlange, die sich durch die Vorräume des Huxleys zieht, geht es erstaunlich zivilisiert zu – und das, obwohl oben gerade schon Mars Volta zum spielen angefangen haben. Nur ein Junge nörgelt unablässig seine Freundin voll, weil sie sich immer noch nicht „Frances The Mute“, die neue Platte von Mars Volta, angehört hat. Vermutlich wird sie so unvorbereitet auf dem Konzert trotzdem mehr Spaß haben als der alte Besserwisser.

Denn von der Musik, wie man sie von dieser und der alten Platte „De-Loused in the Comatorium“ kennt, sind in dem Klangteppich, der in dem Konzert ausgebreitet wird, allenfalls Fusel wiederzuerkennen – einzelne Soundfragmente, die bunt und strukturiert genug sind, um einem in den unübersichtlichen, faszinierenden Klanglandschaften in die Ohren zu springen. Mit einer an Songs orientierten Konzertdramaturgie würde die Band auch ihr Ziel verfehlen. Und das heißt ganz eindeutig, sich selbst und das Publikum in Trance zu versetzen – und funktioniert wohl am besten mit ozeanisch ausufernden Improvisationen, bei denen das Schlagzeug wie ein Hagelschauer vor sich hin prasselt, Jazzrockiges wie ein Echo durch den Raum fliegt, das Tempo auch mal in Richtung Zeitlupe variiert wird und Perkussionsinstrumente von jungen Männern bedient werden, die auf ihre Geräte gucken wie Wissenschaftler in ein Reagenzglas.

Obwohl Mars Volta nachgesagt wird, das sie das jahrzehntelang in den Katakomben der Rockgeschichte vergrabene Gespenst des Prog-Rocks aufstehen lassen, kommt man mit Kennerschaft bei dieser Band jedenfalls kaum weiter. Damit tragen sie erheblich zur Rehabilitation des Genres bei. Denn die öden Exzesse des Spezialistentums waren wohl ein maßgeblicher Grund für den schlechten Ruf, den das Genre – seit Punk aufgeräumt hat – hatte. Einzig und allein das an kreischende Heavy-Metal-Stimmen erinnernde Organ des Sängers Cedric Bixler nervt. Der Kollege bringt es treffend auf dem Punkt: „Immer kurz bevor es richtig geil wird, fängt der an zu singen.“ Vielleicht sollte Bixler einfach auch ein Instrument oder eine Schüttelrassel in die Hand nehmen.

Möglicherweise ist es aber auch gut, dass er den Menschen inmitten dieses Ozeans eine wenn auch schrille Orientierung gibt. Sonst würde wohl alles noch viel komischer, als es sich nach dem Konzert sowieso schon anfühlt. Viele knutschende Paare, trotz der harten Klangkulisse – und als das Spektakel nach gut zwei Stunden abrupt endet, sehen fast alle glücklich aus. Trotzdem verlangt niemand eine Zugabe. Vielleicht war das alles ja auch ein Rave im Prog-Rock-Gewand. STEPHANIE GRIMM