piwik no script img

Familienwerbung WeihnachtskomödieDer Film zum CDU-Plakat

Hauptsache, wir lachen über die Figuren: Vanessa Jopps "Meine schöne Bescherung" ist ein Film, in den man gutwillig rein- und böse rausgeht.

Harmonie im Überschuss - ein Film, der böse macht. Bild: x-verleih

Ein Film, an dem alle Spießer ihre Freude haben werden. Von dieser Zielgruppe abgesehen, stimmt die Komödie traurig. Eine schöne Bescherung, Vanessa Jopp. Ich schwöre, ich war voller Vorfreude, Fan, der ich bin seit acht Jahren ("Vergiss Amerika"). Und nun das. Ich glaube, es liegt am Buch. Wir sollen nicht mit den zahlreichen Akteuren lachen (es sind zwei Dutzend), sondern über sie und am meisten über Heino Ferch. Er wird anderthalb Stunden lang gedemütigt, und wir sollen unsere Schadenfreude haben. Upps, da glitscht er wieder auf dem Schnee aus. Voll auf den Hinterkopf. "Stille Nacht, heilige Nacht" ertönt. Haha, das ist der berüchtigte deutsche Humor. Bei uns müssen Witz, gar Erkenntnis draußen bleiben. Wer den Schaden hat, braucht sich um den Spott nicht zu sorgen. Das deutsche Sprichwort wird zum dramaturgischen Rezept. Ein Running Gag: "Der Fettsack muss weg", und der kleine Junge haut dem Stiefvater in die Eier, eine Großaufnahme der Hosenregion wird uns dazu angedient.

"Du hast den Weihnachtsmann gefickt!": Heino Ferch spielt einen tumben Mittelständler, der 89 Minuten lang eifersüchtig ist, wenn auch grundlos, wie alle außer ihm wissen. Die gebärfreudige Ehefrau (Martina Gedeck), eine Eva Herman der Patchwork-Familie, klärt alles auf. Drei Kinder reichen nicht, es müssen vier sein. Woher die dazu benötigten Spermien kommen, erfahren wir dann - Spannung! - in der 90. Minute. Leider zu spät. Denn bis dahin bekommen die 22 Weihnachtsgäste im steten, aber ermüdenden Wechsel ihr Close-up, wir kennen die Dramaturgie von den Vorabendserien. Immer wenn die Handlung stockt, drückt wer auf den Klingelknopf. Dingdong.

Gedreht ist der Film in einem Studio in Babelsberg. Zum Ablachen vorgeführt werden Exehemänner mit neuen Frauen, die Kinderschar aus diversen Ehen, ein Lesbenknutsch und ein Schwulenouting. Die neuen Nachbarn klingeln. Er präsentiert einen Riesenkaktus mit roter Schleife, sie hält das schwarze Kongobaby im Arm, frisch adoptiert. Klar, dass die Adoptivmutter eine Zicke ist und ihr Mann ein Weichei. Upps, da liegt auch er platt im Schnee, besoffen.

"Meine schöne Bescherung" ist ein Film, in den man gutwillig reingeht und böse rauskommt. Anfangs mag auch einiges fein beobachtet sein wie die Männerkungelei in der Haussauna, Details über das Sexleben der Gastgeberin austauschend (freilich gleichzeitig Heino Ferch mobben). In Ordnung wäre es, wenn der Film nicht böse macht, sondern böse ist. Eine Erkenntnis bitte schön, irgendeine. Und dann kommt doch noch was, wenige Sekunden vor Schluss der Sendung, äh, vor dem Abspann, wollte ich sagen. Wie eine Werbung mutet die Miniszene an. Wir sind ein Jahr später, wieder Weihnachten, dieselben Reden, aber jetzt sitzt die große Familie in überschießender Harmonie zusammen. Ferch und Gedeck ein trautes Paar. Dazu ertönt "I need you, only you". Und wir erkennen: Das ist der Spot zu den Plakaten, mit denen die CDU derzeit auf den Straßen wirbt: Zukunft Familie! Zukunft Kinder!

Macht sich der Film darüber lustig? Aber nicht doch. Zu Weihnachten haben die Mammas und die Pappas sich ganz doll lieb. Der lieben Kleinen wegen. Da haben wir die Bescherung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!