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Familienstreitigkeiten?

■ betr.: „Mehr Wagner wagen“ von Manfred Otzelberger, taz vom 12. 8. 98

[...] Das Symposium „Wagner und die Juden“ war keine Veranstaltung, die gemeinsam von Hochschulen Bayreuths, Heidelbergs und der Tel Aviv University organisiert wurde. Im Gegenteil betonten die anwesenden Teilnehmer aus Israel mehrfach und ausdrücklich, aus privater Initiative und nicht im Auftrag einer Universität aus Israel nach Bayreuth gekommen zu sein.

Ami Maayani, der Initiator des Symposiums, ist leider nicht der kritische Kommentator des Wagnerschen Lebenswerkes, der hier in Bayreuth notwendig wäre. Seine Wagner-Biographie wurde durch ein Vorwort des Wagner-Enkels und derzeitigen Festspielleiters Wolfgang geehrt. Gezielt veranlaßte er, den Sohn Wolgangs, Gottfried Wagner, nicht einzuladen, indem er dessen Kritik an der nationalsozialistischen Präferenz der Wagner-Familie als „Familienstreitigkeiten“ bezeichnete. Sein Hauptziel: „Wolfgang Wagner sollte sich wohlfühlen.“ Dies tat Herr Wagner, indem er gleich in seiner Begrüßung des Symposiums die Unterstützung Hitlers durch die Wagner-Familie als Folge militärischen Zwanges verklärte. Herr Maayami antwortete in einem Interview des Nordbayerischen Kuriers auf die Frage nach dem Zeitpunkt des Symposiums, daß dieses so spät stattfände, da man Rücksicht auf die zweite und dritte Generation der Holocaust-Opfer nehmen mußte. Professor Yorami Dinstein formulierte es noch radikaler: „Das Problem sind nicht die orthodoxen Juden, das Problem sind die Überlebenden des Holocaust.“

Nahezu sämtliche Referenten des Symposiums entpuppten sich im weiteren als überzeugte Wagnerianer. Dieser Tatbestand wurde auch insofern gewürdigt, als das Symposium nur am Vormittag stattfand und so der Besuch der Festspiele am Nachmittag ermöglicht wurde.

Fazit: Das Symposium war leider nicht der Beginn einer Auseinandersetzung mit dem antisemitischen Bayreuth, sondern im Gegenteil ein geschickter Versuch der Wagnerianer, Richard Wagner mit Hilfe einiger Jubelperser aus der Schußlinie seiner Kritiker zu nehmen. Alexander Nippe, Bayreuth

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