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Familienkrach, Sündenfall oder Szene in der Basis?

Konflikt zwischen Ökobank und 'Contraste‘ schwelt weiter / Wer hat früher wen subventioniert? / Interner Streit bei 'Contraste‘ / Die klassische Schiene: hie Realos - hie Fundis / Versicherungsgeschäfte, Kreditvergabe und Wahlen bei Ökobank im Visier der Kritik  ■  Von Bernd Siegler

Im Mai feiert die Ökobank ihren ersten Geburtstag. Stolz kann sie auf eine Bilanzsumme von 35,5 Millionen DM, ein Eigenkapital von 8,8 Millionen (Stand 31.12.88) und schon etwa 20.000 Kunden verweisen. Doch die festliche Stimmung bleibt nicht ungetrübt. Die Auseinandersetzungen zwischen 'Contraste‘, der Heidelberger „Zeitung für Selbstverwaltung“, und den alternativen Bänkern schwelen weiter; erst Anfang des Monats wurde dies auf einer öffentlichen Streit-Debatte zwischen beiden deutlich.

Angefangen hatte alles mit der Dezemberausgabe der vom „Verein zur Förderung von Selbstverwaltung und Ökologie“ herausgegebenen 'Contraste‘. Das Blatt warf der Ökobank den „ersten Sündenfall“ vor. Durch deren Zusammenarbeit mit der „R&V-Versicherung“ habe sich die Ökobank auf einen Partner eingelassen, der mit der Rüstungsindustrie und Atomwirtschaft verflochten ist. Der Hintergrund: Am Schalter der Ökobank werden den Kunden - wie bei vielen anderen Banken auch - Verträge einer Versicherung vermittelt, in diesem Fall der „R&V-Versicherung“. Knapp einen Monat später - nach einem Interview der taz mit Ökobank-Sprecher Torsten Martin zum Thema - ging die Meldung über die Agenturen.

Schadenfroh stürzte sich die Presse auf den Skandal. 'Bild‘ lancierte die Meldung auf der Titelseite. Torsten Martin wies entschieden zurück, daß die Bank Kundengelder in die Bereiche Rüstung und Großchemie sowie in Geschäfte mit Südafrika investierte. „Wenn man im Wirtschaftsgefüge der Bundesrepublik steckt, wird es nicht durchzuhalten sein, daß man niemals in Berührung kommt mit diesen Bereichen“, gestand er jedoch ein. Auch 'Contraste‘ nahm von ihrem nach Tarifa in Spanien ausgelagerten Redaktionsplenum aus Stellung. Man habe keineswegs „alternative Finanzierungsinstrumente bloßstellen und in ihrem öffentlichen Ansehen herabsetzen“ wollen. Angesichts der Mitte des Jahres anstehenden VertreterInnenwahl der auf knapp 16.000 Mitglieder angewachsenen Ökobank-Genossenschaft habe die Zeitung „in den Willensbildungsprozeß um die Politik der Bank eingreifen“ wollen.

In der Februar-Ausgabe problematisiert die „Zeitung für Selbstverwaltung“ die Wahl zum höchsten Organ der Ökobank -Genossenschaft, die VertreterInnenversammlung. Eine sogenannte „Basisliste“ will das „undemokratische“ Wahlverfahren per Einheitsliste ändern.

Einen Monat später bietet 'Contraste‘ der „Krebsmühle“ in Oberursel das Forum, die Kreditvergabepraxis der Ökobank scharf zu kritisieren. Die Vorwürfe gipfeln darin, daß die Ökobank genau wie andere Banken „Gelder verbunkert“. In der gleichen Ausgabe wehrt sich der Landesverband Bayern des „Vereins der Freunde und Förderer der Ökobank“ gegen die „massive Ignoranz und Unsensibilität“ des Marketing -Instruments der Ökobank, der Zeitschrift 'Korrespondenz‘. Darin wurde als Nachfolgeverein des Ende Oktober 1988 aufgelösten bundesweiten Ökobank-Vereins das Projekt „Oeko Novia“ auf zwei Seiten vorgestellt. Unter den Tisch fiel dabei, daß die Mehrzahl der Landesverbände des ehemaligen zentralen Ökobank-Vereins das Modell von autonomen Landesverbänden favorisieren. Damit soll einer Dezentralisierung Vorschub geleistet werden. Im Mittelpunkt der Kritik steht dabei die von der Ökobank bei der Gründung eingegangene Selbstbeschränkung, wonach nur zehn Prozent des Gesamtkreditvolumens überregional verwendet werden dürfen. 90 Prozent entfallen demnach auf Frankfurt und Umgebung. Entsprechend dem Modell sollen die Einzelverbände über den „Contraste e. V.“ vernetzt sein, 'Contraste‘ soll als Kontrollorgan der Ökobank fungieren.

Dagegen verwahrt sich Jutta Gelbrich, ehemals 'Contraste' -Mitbegründerin, jetzt Mitarbeitervertreterin bei der Ökobank, entschieden. 'Contraste‘ sei ein wichtiges Medium für die Alternativwirtschaft, „jedoch nicht dazu da, die Ökobank zu kontrollieren“. Ihrer Meinung nach kann der „Contraste e.V.“ es gar nicht leisten, die Nachfolge des Ökobank-Bundesvereins anzutreten.

Jutta Gelbrich ist über die „Kontinuität der Kampagne gegen die Ökobank“ überrascht. 'Contraste‘ habe immer „unsere Sympathie gehabt“, betont sie und verweist auf die in der „Ökorrespondenz“ geschaltete kostenlose Anzeige für das Heidelberger Blatt. In der Tat ist die Geschichte von 'Contraste‘ eng mit dem Aufbau einer „Ökobank“ verflochten. Der bundesweite Verein „Freunde und Förderer der Ökobank“ hat jahrelang die Zeitung 'Contraste‘ als Mitteilungsorgan genutzt, über vier Jahre lang kaufte der Verein etwa 2.500 Exemplare des Heildelberger Blattes für 1.- DM (Verkaufspreis 3.-) auf. „Das entsprach nur zwei Drittel unseres Selbstkostenpreises“, betont 'Contraste'-Redakteur Kurt Regenauer. Während 'Contraste‘ behauptet, damit die „Ökobank“ unterstützt zu haben, behaupten die Bänker das Gegenteil. Der Bankverein habe, so Jutta Gelbrich, „existentielle Probleme“ des Blattes gelöst und neue Abonnenten vermittelt. Mittlerweile hat das Selbstverwaltungsorgan etwa 3.000 Einzelabonnenten und eine verkaufte Auflage von 7.000. Im Dezember hoffen die Blattmacher schwarze Zahlen schreiben zu können.

Kontraste in 'Contraste‘

Parallel zum Konflikt mit der Ökobank sieht sich 'Contraste‘ inzwischen einem „waschechten internen Konflikt“ über den Abdruck des Artikels ausgesetzt, wie Redaktionsmitlied Petra Inden in der Februar-Ausgabe feststellt. Für die Bonner 'Contraste'-Redaktion, die sich aus zwei Beschäftigten des SPD-nahen „Vereins zur Förderung des Genossenschaftsgedankens“ zusammensetzt, ist nicht die Geschäftsverbindung von Ökobank und „R&V“ der Skandal, sondern die Veröffentlichung dieser Tatsachen. Damit habe die Berichterstattung zur Ökobank „die Grenze des verantwortungsvollen Umgangs miteinander erreicht“. 'Contraste‘ habe „die politischen und ökonomischen Interessen eines Projekts der Selbstverwaltungswirtschaft in extremer Weise vernachlässigt und bedroht“. Die Zentralredaktion in Heidelberg habe den „Herstellungsapparat und das Instrument der Zeitung gebraucht, um eigene politischen Ziele zu verfolgen“. Die Bonner Redaktion fordert zur weiteren Schadensbegrenzung ein redaktionsinternes Moratorium zum Thema Ökobank. Auch Redakteur Burghard Flieger aus Freiburg mischt sich in die Diskussion ein. Er verweist auf die ursprüngliche Konzeption von 'Contraste‘ als einer alternativökonomischen Zeitung mit einem hohem Gebrauchswert für die Selbstverwaltungsprojekte. Inzwischen wolle 'Contraste‘ ein „Forum für Selbstverwaltung“ sein, löse diesen Alleinvertretungsanspruch in Sachen Selbstverwaltung jedoch nicht ein, sondern habe sich zu einem „Klüngelhaufen“ entwickelt. Auch Jutta Gelbrich von der Ökobank hält diese Debatte über die Konzeption von 'Contraste‘ für eine „längst überfällige Diskussion“. „Wir sind nicht (mehr) das Vereinsblatt der Ökobank und auch keines anderen Vereins“, reagiert Redakteurin Inden auf die Kritiker innerhalb und außerhalb der Redaktion.

In ihrem Marketingblatt 'Ökorrespondenz‘ versucht die Ökobank den Konflikt herunterzuspielen. Sie spricht von einer „anonymen Story in einem Szeneblatt“ und fragt lapidar: „Macht die Basis eine Szene?“ 'Contraste‘ will es jetzt „ruhiger angehen lassen“, betont Kurt Regenauer. In der Mai-Ausgabe wird die Ökobank Schwerpunktthema sein. Regenauer versichert, daß es 'Contraste‘ nicht an einem Skandal- und Aufdeckungsjournalismus gelegen sei. Es müsse jedoch neben einem PR-Blatt der Bank auch ein Basisblatt geben, das kritisch die weitere Entwicklung der Bank begleitet. 'Contraste‘ hat sich dafür angeboten.

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