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Familienfreundliche Politik

betr.: „Wahlfreiheit für Eltern“, taz vom 26. 5. 01

Es gab nicht nur zu DDR-Zeiten bessere Bedingungen für die Verbindung von Kindererziehung und Beruf, es gibt sie auch heute noch und diese werden von der Bevölkerung und den meisten Stadtparlamenten in den jungen Bundesländern vehement verteidigt. Unverständlicherweise völlig unbeachtet von den Medien.

[...] Ich lebe seit 1992 mit meiner Familie in Thüringen und alle „Westeltern“, die ich kennen gelernt habe, nutzen erleichtert das Kita- und Hort-Betreuungssystem in den jungen Bundesländern. Oft verschämt verschwiegen gegenüber der Westverwandtschaft, denn Kinder unter drei Jahren institutionell betreuen zu lassen oder die Grundschulkinder erst um 16 Uhr aus dem Hort zu holen, gilt immer noch als rabenmäßig (wer profitiert eigentlich von diesem einseitigen Mutterbild?). Nach dem Thüringer Kita-Gesetz müssen die Kitas mindestens zehn Stunden geöffnet haben, in der Regel zwischen 6.30 und 17 Uhr, und die Kinder haben ab 2,5 Jahren einen Rechtsanspruch. Der Hort öffnet um 7 Uhr und schließt um 17 Uhr und es gibt keine Ferien ohne Betreuungsmöglichkeit. Wunderbar!

[...] Bisher kostet der Hort 90 Mark im ganzen Monat für den vollen Tag, demnächst 130 Mark. Für Krippenplätze wird es dieses Jahr in Weimar das erste Mal Auswahlkriterien geben, das heißt, Kinder von Alleinerziehenden und von berufstätigen Eltern sollen Vorrang haben, denn Krippenplätze werden jetzt erst nach dem Geburtenknick von 1992 bis 1994 knapp. Bisher sind fast alle Kinder unter 2,5 Jahren max. nach einer mehrmonatigen Wartezeit untergekommen (und nicht nur halbtags).

In diesem Fall lohnt es sich, den Blick nach Osten zu richten. Warum immer Frankreich oder Schweden als Beispiel heranziehen? Um die kommunalen Finanzen ist es schlecht bestellt (unsanierte Schulen, zu wenig Sportstätten), doch diesen „Luxus“ der Kinderbetreuung gönnen wir uns. Aber unter der schlechten Finanzlage leiden die Kommunen in den alten Bundesländern auch – ohne ausreichende Kinderbetreuung.

GABRIELE HERRMANN, Weimar

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