■ Was ist Bürgerbeteiligung?: Falsches Signal
Was, bitte, ist kommunale Demokratie? Das offizielle Angebot der etablierten Parteien mit Bezirksamt, BVV und Ausschüssen etwa, das bereits Anfang der siebziger Jahre scheiterte? Oder die Demokratie von unten, bei der diejenigen ihre eigenen Interessen formulieren und durchzusetzen versuchen, die von kommunalpolitischen Verwaltungsentscheidungen gemeinhin am meisten betroffen sind: die Bürger.
Bislang galt es zumindest für die Grünen als ausgemacht, daß eine Verwaltung nur so gut ist wie die sie unterstützenden (oder kritisierenden) Bürger. Bislang. Mit seiner Kritik an der „hochfinanzierten“ Bürgerbeteiligung hat sich der Kreuzberger Bürgermeister Schulz von diesem Konsens verabschiedet. Der Zungenschlag, mit dem er seine Kritik formulierte, erinnert dabei stark an die Anfangszeiten der Bürgerbeteiligung, für die ja gerade Kreuzberg später zum Modellbezirk avancierte: Die Verwaltung macht Politik, die Betroffenen sind zwar zu hören, aber nicht zu lange und vor allem nicht regelmäßig. Das ist der Ton von SPD und CDU, gegen den die Betroffenen und mit ihr deren politischer Arm, die Grünen, einst antreten mußten.
Der Versuch von Schulz, die Bürgerbeteiligung – im Gegensatz zu Tiergarten – nicht zu stärken, sondern zu demontieren, ist aber noch vor einem anderen Hintergrund fatal. Eine mögliche Länderfusion mit Brandenburg hält ja unter anderem folgendes Szenario bereit: Eine kreisfreie Stadt Berlin, deren Bezirke unmittelbar den stadtpolitischen Begehrlichkeiten der Bundesregierung gegenüberstehen. Verstanden haben das bisher lediglich die Verantwortlichen in Tiergarten, das als Regierungsbezirk den Rollback in eine selbstherrliche Stadtpolitik von des Kanzlers Gnaden bereits am deutlichsten zu spüren bekommen hat. Um so dringlicher ist es, daß die Tiergartener „rot-grüne Laterne“ auch anderen Bezirken den Weg leuchtet. Uwe Rada
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