Falsche Zahlen zur Jugendkriminalität: Justizkrise in Hamburg
Hamburg greift gegen Jugendkriminalität hart durch, warb die CDU. Nun zeigt sich: Die Zahlen sind falsch.
HAMBURG taz Die Hamburger CDU droht bei der Bürgerschaftswahl Ende Februar über das eigene Thema zu stolpern: die Jugendkriminalität. Jahrelang hat der CDU-Senat behauptet, er greife gegenüber jugendlichen Gewalttätern besonders hart durch: Während bundesweit nur 30 Prozent aller jungen zu Haftstrafen Verurteilten tatsächlich im Gefängnis landen, seien es in Hamburg 70 Prozent. Vorige Woche aber kam heraus: Die Zahlen sind falsch. Justizsenator Carsten Lüdemann (CDU) bemühte sich gestern, den CDU-Skandal zum reinen Statistikproblem kleinzureden. Die Opposition verlangt seinen Rücktritt.
Auch in Hamburg sitzt nur etwa ein Drittel der Verurteilten im Gefängnis. Seit der Umstellung auf ein neues Computersystem 2002 aber hatten viele Staatsanwälte die Eingabemaske falsch bedient, so dass Bewährungsstrafen als Haftaufenthalte gezählt wurden.
Lüdemann beteuert, dass ihm das all die Jahre nicht aufgefallen sei. Erst im September habe er erfahren, dass die Statistik unkorrekt war. Sein Fehler sei allein gewesen, "die Öffentlichkeit nicht gleich informiert zu haben". Die GAL-Fraktion aber glaubt ihm das nicht: "Er hat die Öffentlichkeit getäuscht, indem er den falschen Eindruck aufrechterhalten hat", bekräftigte der justizpolitische Sprecher Till Steffen gestern. Die SPD verlangte die Entlassung des Justizsenators: Zahlen über die Jugendkriminalität in Hamburg seien "zentrale politische Kenndaten" der Stadt. Das Datenchaos offenbare ein "kapitales Organisationsversagen des Justizsenators".
Vor wenigen Tagen hatte dieser erneut für Aufsehen gesorgt. Da war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft im Internet meistbietend Waffen verkauft hat, die sie zuvor bei mutmaßlichen Gewalttätern beschlagnahmte. Der oberste Dienstherr: Justizsenator Carsten Lüdemann. Auch davon, behauptete der, "habe ich nicht gewusst".
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