Falschbehauptung aus Justizministerium: Ministerien dürfen Klima schützen
Nachdem die taz über die klimafeindliche Strom-Beschaffung in den Ministerien berichtet hatte, behauptete das Justizministerium, man wäre gezwungen, Billigstrom nehmen. Das stimmt nicht.
BERLIN taz | Das Umweltbundesamt widerspricht dem Justizministerium: Behörden dürfen sehr wohl gezielt Ökostrom einkaufen. "Da ist die EU mit ihren Richtlinien inzwischen weiter fortgeschritten, auch wenn das offenbar nicht überall bekannt ist", sagt Referatsleiterin Ute Voigt, Mitautorin der Broschüre "Beschaffung von Ökostrom".
Die taz hatte am Donnerstag berichtet, dass das Bundeskanzleramt und viele Bundesministerien Strom von der RWE-Tochter Envia beziehen, der aus besonders klimaschädlichen Quellen stammt: Jede Kilowattstunde verursacht einen CO2-Ausstoß von 674 Gramm, der Bundesdurchschnitt liegt bei 541 Gramm. Die Behörden hatten in offener Ausschreibung nach dem europaweit günstigsten Stromanbieter gesucht, ohne dabei Vorgaben über die Herkunft des Stromes zu machen.
Ein Sprecher von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte behauptet: "Die Entscheidung für konventionellen Strom hatte ihren Grund in haushaltsrechtlichen Vorgaben." Behörden seien gehalten, "die jeweils wirtschaftlichste Beschaffungsvariante zu wählen".
Das Umweltbundesamt kauft hingegen schon seit mehreren Jahren gezielt Ökostrom ein, genau wie auch das Umweltministerium, das Verkehrsministerium und der Bundestag. Das Amt verweist dabei auf die Verdingungsordnung für Leistungen (VOL/A), in der die Vorgaben für den Einkauf der Behörden zusammengefasst sind.
Dort heißt es zwar, der Auftrag müsse an das "unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot" gehen. Allerdings gilt dabei: "Der niedrigste Angebotspreis allein ist nicht entscheidend." Es könnten auch weitere Kriterien vorgegeben werden, heißt es dann ausdrücklich: "beispielsweise Qualität, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften".
Behörden haben dabei zwei Möglichkeiten. Entweder sie legen fest, dass sie nur Ökostrom-Angebote wollen – und geben dann den Zuschlag an den günstigsten Lieferanten. Oder sie machen keine Vorgaben, aus welchen Quellen der Strom kommen soll, aber legen neben dem Preis auch noch ein ökologisches Zuschlagskriterium fest.
So hat es etwa im Frühjahr 2009 der damalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) bei der Ausschreibung von 915 Gigawattstunden Strom pro Jahr für alle Landesbehörden gemacht. Der Preis des Stroms ging mit 66 Prozent in die Entscheidung ein, der CO2-Ausstoß mit 33 Prozent. Die Ampeln in der Hauptstadt leuchten daher inzwischen mit Strom aus 100 Prozent Wasserkraft. Das Land vermeidet dadurch 460.000 Tonnen CO2 pro Jahr.
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