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■ Fallstricke des Vorschlags zur Entmilitarisierung SarajevosEin Pakt mit den Angreifern

Zwar ist die Drohung der Nato und der westlichen Mächte gegenüber den serbischen Extremisten um Radovan Karadžić noch nicht zurückgenommen. Noch läuft die Frist der 10 Tage, an deren Ende die serbische Artillerie aus einem Umkreis von 20 Kilometern um die seit nunmehr 20 Monaten belagerte Stadt zurückgezogen sein soll. Doch schon wird die ursprüngliche Intention in ihr Gegenteil verkehrt. Der russisch-serbische Vorschlag, Sarajevo zu entmilitarisieren, läuft nämlich auf nichts anderes hinaus als auf die Entwaffnung der bosnischen Armee.

Es scheint in manchen Teilen der Öffentlichkeit auch in Deutschland Mode zu werden, das Ende des Krieges in dieser Richtung herbeiführen zu wollen. Die Konsequenzen dieser Politik werden jedoch beharrlich ausgeblendet. Denn das Beispiel Srebrenica, wo seit dem Frühsommer 1993 die Verteidiger entwaffnet sind, zeigt, daß die UNO keineswegs in der Lage ist, die dort Eingeschlossenen vor den Attacken der Angreifer zu schützen. Im Gegenteil werden lediglich die Nachrichten über die ständigen Angriffe auf Srebrenica von der UNO unterdrückt. Die Entwaffnung der Verteidiger bedeutet in Wirklichkeit, daß die restbosnische Bevölkerung endgültig vom „guten Willen“ der UNO abhängig und damit vollständig entmündigt wird.

Wie zweifelhaft die Forderung des Rückzugs der serbisch-nationalistischen Artillerie um 20 Kilometer von Sarajevo ist, beschreibt allein schon die Tatsache, daß die Stadt damit immer noch in ihrer Reichweite von mindestens 27 Kilometern bliebe. Und das bisherige Verhalten des etwas vorschnell als Haudegen eingeschätzten britischen Kommandierenden der UNO- Truppen von Sarajevo, Rose, gibt keinen Hinweis darauf, daß es den UNO-Truppen vor Ort gelingen könnte, selbst der Umsetzung dieser Bedingung nachzuhelfen. Im Gegenteil wird angesichts der serbischen Mobilisierung in Bosnien und der Krajina sowie der Angriffe auf die Enklave und UNO-Sicherheitszone Bihać deutlich, daß die Empörung über den Angriffskrieg und die halbherzige Drohung mit Bombardements durch die Nato nicht ausreicht, die unentschiedene Haltung der Entscheidungsträger zu kippen oder gar die serbischen Nationalisten zum Einlenken zu zwingen. Wer immer noch ernsthaft versuchen will, das Leben der fast zwei Millionen Eingeschlossenen zu retten, muß endlich offen für die Aufhebung des Waffenembargos gegenüber Bosnien eintreten. Nur die Hilfe zur Selbsthilfe scheint die Bosnier noch zu schützen, nicht aber der vage Glaube an eine internationale Gemeinschaft, die in ihrer Unentschiendenheit de facto mit den Angreifern paktiert. Erich Rathfelder

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