Fakten Mit Büchernund Websites wehren sich Wissenschaftler gegen den Rufmord an Klimapolitik und Energiewende: Das Gegengift
von Bernhard Pötter
Es war eine halbe Stunde voller falscher Behauptungen, schlichten Lügen und absurden Verdrehungen. Als US-Präsident Donald Trump am 1. Juni in Washington ankündigte, das Pariser Abkommen zum Klimaschutz zu verlassen, entsprach praktisch keine seiner Begründungen für diesen Schritt der Wahrheit. Das deutsche Bundesumweltministerium sah sich genötigt, ein paar Tage später seine Behauptungen richtigzustellen. Aber Trump ist nicht allein. In vielen anderen Teilen der Welt wird Klimapolitik wieder ohne Rücksicht auf Tatsachen diskutiert: Zu den klimaskeptischen Regierungen in Polen, Ungarn und Bulgarien kommt in Großbritannien die DUP ans Ruder, die den Klimawandel leugnet. Und in Deutschland behaupten konservative Teile der CDU inzwischen wieder, an dem ganzen Klimagedöns sei eigentlich nichts dran.
Im Bermudadreieck von Energiewende, UN-Klimapolitik und Alarmmeldungen der Wissenschaft kann man leicht den Überblick verlieren. Da ist es gut, dass zwei neue Bücher und ein paar Websites Orientierung geben. Die Berliner Energiewissenschaftlerin Claudia Kemfert nimmt sich in „Das fossile Imperium schlägt zurück“ den Rufmord an der Energiewende vor. Und die Klima-Ökonomen Ottmar Edenhofer und Michael Jakob legen mit „Klimapolitik“ einen gut lesbaren und verständlichen Kurzüberblick über „Ziele, Konflikte, Lösungen“ in der Klimakrise vor. Beide Bücher, ergänzt durch Websites wie klimafakten.de oder den Blog „Klimalounge“, wirken als Gegengift für die Fake Facts zum Klima.
Kemfert konzentriert sich vor allem auf die deutsche Debatte. Die nächste Bundesregierung wird den Kohleausstieg beschließen müssen, jetzt sammeln Parteien, Unternehmen, Gewerkschaften und Ökoverbände dafür ihre Truppen. Es geht um Milliarden, und da nehmen es die Freunde der Fossilen mit der Wahrheit nicht so genau, schreibt Kemfert. Sie präsentiert 10 „Postfakten“, die gern in Politik und Alltag verbreitet werden, und liefert Gegenargumente: von „Die Energiewende ist nicht zu schaffen“ über die hohen Kosten, die sozialen Ungerechtigkeiten bis zum gebremsten Ausbau für Wind- und Sonnenstrom.
Das ist gut lesbar serviert, mit Wut im Bauch geschrieben und eröffnet Einblicke in die Maschinerie der Verleugnung. Manchmal allerdings vergaloppiert sich Kemfert in ihrem Eifer, die Energiewende zu verteidigen. Für sie sind alle Behauptungen der Kritiker „Fake News“ – ein übertriebener Vorwurf. Man kann – man muss! – trefflich darüber streiten, ob der Ausbau der Erneuerbaren zu teuer ist oder welche Fehler dabei gemacht werden, ohne in die Ecke der „Leugner“ zu geraten. Fake Facts à la Trump ist bewusste Ignoranz gegenüber grundlegenden wissenschaftlichen Daten – ein Vergehen, das in der deutschen Debatte selten vorkommt. Ob etwas „zu teuer“ ist, ist eine politische Abschätzung – keine wissenschaftliche Frage.
Deutlich abgeklärter schreiben Edenhofer/Jakob über die globale Klimathematik. Wer auf 120 Seiten lesbar einen Grundkurs in Klimapolitik sucht, ist bei dem kleinen und preiswerten Büchlein richtig, das in die Hosentasche passt. Von den physikalischen Grundlagen über die Risiken des Klimawandels, von der Kurzgeschichte der Klimapolitik bis zu einem Lösungsvorschlag („Ein weltweiter CO2-Preis“), wer das Buch verdaut hat, kann mitreden und im Zweifel immer wieder bei den wohldosierten Datensammlungen und bei den verständlichen Statistiken nachschlagen.
Das Büchlein zeigt, dass seine Autoren seit Langem in den Debatten um die internationale Klimapolitik, den UN-Klimarat IPCC, den EU-Emissionshandel und die Energiewende mitmischen. Die Ökonomen sezieren die bisherigen Irrungen der Politik, die Schwächen der bisherigen Instrumente und setzen ihre wissenschaftlichen Ergebnisse dagegen: Klimaschutz rechne sich auch ökonomisch, werde aber sehr teuer, wenn er Wirtschaftswachstum verteufele; der EU-Emissionshandel und der deutsche Kohleausstieg seien nur über einen Mindestpreis für CO2 zu retten, eine Steuerreform müsse verhindern, dass die Energiewende weiterhin die Armen mehr belaste als die Reichen. Weltweit solle ein Preis für CO2 dafür sorgen, dass Entwicklungsländer diese Steuern in Armutsbekämpfung investieren könnten – eine doppelte Dividende für das Klima und die Entwicklung.
Edenhofer/Jakob konstatieren die relative Macht ihrer Zunft: „Regierungen können in der Debatte mit der Wissenschaft nicht mehr ausschließlich auf Macht und Interesse rekurrieren, sondern müssen sich auf Wahrheit, Objektivität, Fakten und Werte beziehen.“ Doch wie hilflos Forscher angesichts eines Donald Trump sind, steht zwei Seiten weiter: „Wahrheit, Rationalität und Legitimation spielen in der Welt der Populisten keine Rolle“, auch wenn es klar sei, dass „dieses Modell nicht realitätstauglich ist“. Das ist zu hoffen, ausgemacht ist es nicht. Aber um gegen das Klima der Lügen anzugehen, braucht die Öffentlichkeit genau solche Bücher.
Claudia Kemfert: „Das fossile Imperium schlägt zurück. Warum wir die Energiewende jetzt verteidigen müssen“. Murmann 2017, 144 S., 14,90 Euro
Ottmar Edenhofer/Michael Jakob: „Klimapolitik“. C.H. Beck Verlag, München 2017, 128 Seiten, 9,95 Euro
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