: Fairness auch für Frauen?
Auch im fairen Handel leben und arbeiten Frauen unter deutlich schlechteren Bedingungen als Männer. Gezielte Projekte schaffen erfolgreich Abhilfe. Doch es muss noch mehr getan werden
VON KRISTINA SIMONS
„Frauenbaumwolle“ wird die Biobaumwolle mittlerweile in Burkina Faso genannt. Denn sie hat Frauen in dem Land, das zu den ärmsten der Welt gehört, eine bessere wirtschaftliche Perspektive eröffnet. „Anbau und Ernte konventioneller Baumwolle ist für Frauen wegen der verwendeten Pestizide zu riskant für Fruchtbarkeit und Schwangerschaft“, sagt Maren Richter von TransFair. Außerdem kosten die Pestizide viel Geld, für das die Bauern häufig einen Kredit bei der Bank aufnehmen müssen.
„Doch genau das dürfen Frauen in Burkina Faso ebenso wenig wie Land besitzen.“ In einigen Fairtrade-zertifizierten Kooperativen wird heute Biobaumwolle angebaut, wo statt Pestiziden die Frucht des Neembaums Schädlinge vertreibt und Frauen ihre eigenen Einnahmen erwirtschaften. Und die liegen sogar höher als die für konventionelle Baumwolle: Fairtrade-Händler zahlen für die Bioware 41 statt 36 Cent pro Kilogramm. Hinzu kommt eine Fairtrade-Prämie von 5 Cent, über die die Kooperativen gemeinschaftlich verfügen und die sie zum Beispiel in den Bau von Schulen oder in die Gesundheitsfürsorge investieren. Auch hier stärkt der Bioanbau die Mitsprache der Frauen.
„Früher hatten die Frauen Angst, etwas zu sagen“, erzählt Aissatou Koné, eine 36-jährige Biobaumwollpflückerin aus Mali. „Heute bringen wir Frauen Ideen mit ein und die Männer hören uns zu.“ Seit Herbst letzten Jahres gibt es Textilien und Kosmetikprodukte aus fair gehandelter Biobaumwolle in Deutschland.
Der faire Handel will die wirtschaftliche Situation von Frauen in Afrika, Asien und Lateinamerika verbessern. Denn Frauen tragen zwar weltweit mehr als die Hälfte der gesamten Arbeitslast, doch davon wird nur ein Drittel auch bezahlt. „Es ist ein elementarer Punkt von Fairtrade, dass Frauen und Männer innerhalb der Kooperativen und vor allem auf den Plantagen gleichgestellt werden“, sagt Richter. So fördert beispielsweise die Vermarktungsorganisation CORR – The Jute Works aus Bangladesch speziell Frauenkooperativen, die Jute verarbeiten. Die Frauen können an Bildungsprogrammen, Alphabetisierungskursen und technischen Workshops teilnehmen, außerdem stellt CORR den Kooperativen Kredite zur Verfügung.
Mikrokredite, also Kredite bis meist maximal 1.000 Euro, sind ein wichtiges Mittel für Frauen raus aus Armut und Unselbständigkeit, mit deren Hilfe sie sich zum Beispiel selbständig machen können. Die Ökumenische Entwicklungsgenossenschaft Oikocredit vergibt heute mehr als 60 Prozent ihrer Darlehen an Mikrofinanzinstitutionen. Wenn es um deren Rückzahlung geht, erweisen sich nach Erfahrung von Oikocredit gerade Frauen als extrem zuverlässig. Ein Vorzeigemodell ist die Landfrauenorganisation Comucap (Coordinadora de Mujeres Campesinas de la Paz). Sieben Frauen haben sie 1993 in Honduras gegründet, um bessere Lebensbedingungen und mehr Rechte für Frauen zu erkämpfen und zu bewahren.
Um das zu erreichen, kümmert sich Comucap um die Vermarktung der von Frauen hergestellten Bioprodukte und hat eine Alphabetisierungskampagne ins Leben gerufen. Die Frauen von Comucap stellen unter anderem einen hochwertigen Biokaffee her, der unter dem Namen Elisabeth Kaffee auch in deutschen Weltläden vertrieben wird. Jungen Frauen ermöglicht die Kooperative Ausbildungen in der Landwirtschaft, in Verwaltungsberufen und in der Pflanzenheilkunde. 256 weibliche Mitglieder hat Comucap heute.
Doch dürfen diese Erfolgsgeschichten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Frauen auch im fairen Handel insgesamt unter deutlich schlechteren Bedingungen leben und arbeiten als Männer. Genau das ist die Erfahrung von Elke Ahrens von Brot für die Welt, die sich intensiv mit diesem bislang stark vernachlässigten Thema beschäftigt. „Wir müssen noch genauer hinschauen, um zu erfassen, wie Männer und wie Frauen vom fairen Handel profitieren.
Gerade der Boom des fairen Handels wirft die Frage auf, ob Frauen wie Männer gleichermaßen oder einseitig davon einen Nutzen haben.“ Zum Beispiel müssen Produzenten einige bürokratische Hürden nehmen, um sich bei der International Fairtrade Labeling Organisation (FLO) zertifizieren lassen zu können. „Das ist für Frauen ungleich schwieriger“, so Ahrens.
Zusätzlich zu ihrer Arbeit auf dem Feld oder auf den Plantagen müssten sich Frauen zudem oft um den ganzen Haushalt, die Kindererziehung und die Versorgung und Betreuung der Alten und Kranken kümmern. „Sie stehen also unter einer Mehrfachbelastung.“ Und ihr Einkommen aus dem fairen Handel werde meist von den männlichen Haushaltsangehörigen verwaltet. In vielen Entwicklungsländern ist es für Frauen sehr schwierig, ein Konto bei einer Bank zu eröffnen, um ihr erwirtschaftetes Geld zu sparen oder gar einen Kredit aufzunehmen.
Auch hierzulande sei eine Ungleichheit der Geschlechter im fairen Handel zu beobachten. In Weltläden, dem Ursprung des fairen Handels, arbeiten überwiegend Frauen, und zwar ehrenamtlich. „Wir müssen geeignete Strategien finden, wie das Thema Gender in der anstehenden Professionalisierung der Weltläden mitgedacht und umgesetzt wird“, so Ahrens. „Der faire Handel soll im Süden wie im Norden zum gerechten Welthandel und zur Geschlechtergerechtigkeit beitragen.“ Und da gäbe es hüben wie drüben noch einiges zu tun.