Fahndungstips vom Sozialamt für die Polizei

■ Wie einer im Sozialamt Kreuzberg verhaftet wurde, obwohl schon kein Haftbefehl mehr gegen ihn bestand, und woher die Polizei wußte, wo er zu finden ist / Über die Zusammenarbeit zwischen der Fahndungsabteilung der Polizei und dem Sozialamt Kreuzberg

Als KlausK. vor mehr als einem Jahr, am 5. Januar 1988, in der Eingangshalle des Rathauses Kreuzberg festgenommen wurde, war ihm schleierhaft, woher die Beamten seien Aufenthaltsort kannten. Daß es einen direkten Draht zwischen der Fürsorgekartei des Sozialamtes und der Fahndungsstelle der Polizei in der Heerstraße gibt, war bis dahin nicht bekannt. Der Datenschutzbeauftragte hat inzwischen eindeutig erklärt, daß das Sozialamt, als es der Polizei den Aufenthaltsort des KlausK. genannt hatte, rechtswidrig gehandelt hat. Und der Staatsanwalt ermittelt gegen (noch) unbekannte Mitarbeiter des Kreuzberger Sozialamtes wegen illegaler Datenweitergabe. Allerdings stößt er dabei sowohl im Sozialamt als auch bei der Polizei auf Granit.

Was war passiert: KlausK., gegen den vermeintlich ein Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Braunschweig vorlag, wurde am 5.Januar 1988 nachmittags um halb drei im Sozialamt verhaftet, als er sich seine Stütze abholen wollte. Daß er zu diesem Zeitpunkt dort hinkommen würde, wußten nur die Mitarbeiter des Sozialamtes, die ihm für diesen Termin einen Auszahlschein ausgestellt hatten. Sie gaben der Polizei den Tip: Holt ihn euch bei uns ab. Daß der Haftbefehl zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr gültig war, ist Kapitel zwei der Geschichte.

KlausK. stellte daraufhin Strafanzeige gegen die Mitarbeiter des Sozialamtes, weil diese gegen den Sozialdatenschutz verstoßen und seinen augenblicklichen Aufenthaltsort an die Polizei weitergegeben haben. Denn, und da hat er Schützenhilfe vom Datenschutzbeauftragten bekommen, das Sozialamt muß zwar, wenn ein richterliches Auskunftsersuchen vorliegt, die Meldeadresse oder den ständigen Aufenthalt eines Gesuchten mitteilen. Die Sozialamtsmitarbeiter dürfen aber nicht Hilfssheriff spielen und der Polizei Fahndungstips über den augenblicklichen Aufenthaltsort geben. So steht es auch in einer Empfehlung, die Sozialsenator Fink schon 1984 an die Bezirkssozialämter herausgegeben hat.

Auf der Suche nach den Mitarbeitern, die den direkten Draht zur Polizei geschaltet haben, tappt die Staatsanwaltschaft im dunkeln. Angeblich sind sie nicht mehr aufzufinden. Auch der Datenschutzbeauftragte fand bei seinem Besuch am 9.November letzten Jahres im Amt, als er die Sozialakte von KlausK. einsah, nichts. Gähnende Leere. Die vorgeschriebenen Aktenvermerke über den Kontakt mit der Polizei fehlten. Als der Staatsanwalt die Polizeibeamten, die KlausK. festgenommen haben, vernahm, konnten die sich nicht erinnern, wer im Sozialamt ihnen den Tip gegeben hatte. Frau KarinU., die zuständige Sachbearbeitern von KlausK., verweigerte bei der Staatsanwaltschaft die Auskunft. Doch es gibt indirekte Hinweise. Kreuzbergs Sozialstadtrat Waldemar Schulze (SPD) hatte im letzten Jahr, um sich zu rechtfertigen, gesagt, der Datenschutzbeauftragte des Bezirks sei „von Anfang an unterrichtet und in die Bearbeitung des Vorgangs“ miteinbezogen worden. Der hieß zu diesem Zeitpunkt Daubitz und war der Vorgesetzte der Sachbearbeiterin KarinU. Völlig unverständlich ist, warum der Staatsanwalt diesen Herrn bislang nicht vernommen hat.

Stadtrat Schulze muß sich auf Anfrage der AL in der nächsten Woche in der Bezirksverordnetenversammlung noch einmal für den Fall verantworten. Er steht nach wie vor auf dem Standpunkt, „nach Recht und Gesetz gehandelt zu haben“, und bezieht sich auf ein früheres Kammergerichtsurteil. Im Sozialamt Kreuzberg wird weiter nach der altbewährten Methode verfahren. Einziger Unterschied: Man fertige jetzt über die Kontakte mit der Polizei Aktenvermerke an.

Auch für den Datenschutzbeauftragten ist der Fall KlausK. noch nicht abgeschlossen. Er versucht derzeit zu klären, woher die Berliner Polizei überhaupt von dem Braunschweiger Haftbefehl gegen KlausK. wußte und warum sie aktiv wurde. In der Datei Inpol, die bundesweit alle Fahndungen enthält, war KlausK. zum Zeitpunkt seiner Verhaftung nämlich bereits seit Tagen gelöscht.

Brigitte Fehrle