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Fachkräftemangel in Deutschland"Globaler Arbeitsmarkt fast leer gefegt"

Arbeitsministerin von der Leyen rechnet mit geringer Zuwanderung in den kommenden Jahren. Wie Deutschland sich selbst helfen kann, soll eine McKinsey-Studie zeigen.

Hoffen auf das Fachkräftewunder? Ministerin von der Leyen. Bild: dpa

BERLIN taz | "Die Rettung kommt nicht aus dem Ausland", lautete am Donnerstag das Fazit von Frank Mattern, Chef von McKinsey Deutschland, bei der Vorstellung einer neuen Studie zum künftigen Fachkräftemangel. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen stimmte ihm zu: "Der weltweite Arbeitsmarkt ist fast leergefegt. Mit ausreichendem Zuzug von Fachkräften nach Deutschland ist daher nicht zu rechnen."

Gerade einmal fünf Tage nach Inkrafttreten der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die den deutschen Arbeitsmarkt für die osteuropäischen EU-Mitglieder geöffnet hat, scheint die Maßnahme überholt zu sein. McKinsey hat Studien ausgewertet, für die 1.500 Firmen befragt wurden. Sie schildern das Problem als gravierend: Neun von zehn Unternehmen in Deutschland rechnen in den nächsten Jahren damit, nicht mehr genügend Fachkräfte zu finden. Hauptursache ist die Überalterung der Gesellschaft und der fehlende Nachwuchs.

Werde die Entwicklung nicht ausgeglichen, sagte Mattern, wären die Konsequenzen weniger Investitionen in den Wirtschaftsstandort Deutschland und ein Absinken des Wohlstands. "Notmaßnahmen wie Arbeitsverdichtung sind angesichts der immer älteren Beschäftigten nicht zielführend", ergänzte von der Leyen.

Was können die öffentlichen und privaten Unternehmen jetzt tun, um ohne ausreichenden Zuzug von Fachkräften weiter produzieren zu können? Diese Frage beantwortet die McKinsey Studie nur unzureichend: Die Bundesregierung müsse die Rahmenbedingungen für mehr Fachkräfte in Deutschland verbessern und die Unternehmen müssten ihrerseits ihre Hausaufgaben machen.

Würden Frauen von ihren familiären Pflichten entlastet, könnte ein Potenzial von mehreren Millionen Arbeitskräften aktiviert werden, heißt es in der Erhebung. Außerdem setzt die Studie auf erfolgreichere Bildungskarrieren deutscher Schüler und altersgerechte Arbeitsplätze. In beiden Fällen müssten Wirtschaft und Politik eng zusammenarbeiten. Neuer Gedanke: Unternehmen sollten dem Fachkräftemangel wenn möglich "ausweichen", beispielsweise durch Bündelung von Standorten und intensivem Outsourcing, schreiben die Autoren der Studie.

Bedeutet: Arbeitskräfte stellen ihr Know-How zukünftig verstärkt mehreren Unternehmen gleichzeitig zur Verfügung, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stützen.

Von der Leyen merkte an, dass die McKinsey Studie nur ein Puzzleteil bei der Lösung des Problems sein kann, aber zumindest die Unternehmen wachrütteln soll. Diese müssten schon heute, angesichts eines entspannten Arbeitsmarktes, aktiv werden. Die Ministerin stellte ein Maßnahmenpaket der Bundesregierung in Aussicht, das im Mai im Kabinett beraten werden soll.

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12 Kommentare

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  • W
    wolferl1968

    Wenn ich das lese bekomme ich ganz andere gefühle. also in meinem freundeskreis wimmelt es nur von arbeitslosen akademikern, Wirtschaftswissenschaftlern, Diplom Ingenieure und und und halt alles fachkräfte wie oben beschreiben..halt alle über 40 und zu teuer. also ist es doch nichts anderes als wieder ausbeutung und verarschung der leute. die wirtschaft braucht billig lohn empfänger und menschen zum ausnützen weil fachkräfte gäbe es geung nur will die industrie keinen über 40 mit erfahrung einstellen..ich selber hab auch visas gestellt für canada und australien, damit ich hier platz im eigenen land für einen suedeuropäer machen kann....ich bin mit 43 unvermittelbar..auch lt. inoffiziellen aussagen des arbeitsamtes..nett aber dafür einen suedeuropäer....cool..ich bin froh wenn ich weg komme aus der wirtschaftswunderregion deutschland. aber ich kann eh spanisch, koennte ja nach spanien gehen....werden arbeitsplätze dann frei...

  • W
    wolferl1968

    Wenn ich das lese bekomme ich ganz andere gefühle. also in meinem freundeskreis wimmelt es nur von arbeitslosen akademikern, Wirtschaftswissenschaftlern, Diplom Ingenieure und und und halt alles fachkräfte wie oben beschreiben..halt alle über 40 und zu teuer. also ist es doch nichts anderes als wieder ausbeutung und verarschung der leute. die wirtschaft braucht billig lohn empfänger und menschen zum ausnützen weil fachkräfte gäbe es geung nur will die industrie keinen über 40 mit erfahrung einstellen..ich selber hab auch visas gestellt für canada und australien, damit ich hier platz im eigenen land für einen suedeuropäer machen kann....ich bin mit 43 unvermittelbar..auch lt. inoffiziellen aussagen des arbeitsamtes..nett aber dafür einen suedeuropäer....cool..ich bin froh wenn ich weg komme aus der wirtschaftswunderregion deutschland. aber ich kann eh spanisch, koennte ja nach spanien gehen....werden arbeitsplätze dann frei...

  • P
    Printertom

    Also wenn ich die Kommentare von Frau von der Leyen zu fast allen Themen ihrer verschiedenen Tätigkeiten so lese, erschließt sich mir immer mehr warum es in diesem Land immer weiter bergab geht.

    Ich bin 47 Jahre alt und in Folge einer vom Arbeitgeber verschuldeten Insolvenz seit 9 Monaten arbeitslos. Nach über 30 Jahren als Fachkraft. Ich finde keinen Job weil ich die magische 45er Grenze überschritten habe - obwohl es Arbeit genug gibt.

    Die Arbeitgeber - und das sind nicht wenige - die ich angeschrieben habe schicken entweder Absagen oder antworten gleich gar nicht. Und die Stellen stehen danach immer noch bei der Jobbörse im Netz.

    Die Arbeitgeber wollen heute möglichst 25jährige Fachkräfte haben mit 15jähriger Berufserfahrung.

    Und unsere gut ausgebildeten Akademiker gehen lieber ins benachbarte Ausland weil sie dort nicht Taxi fahren müssen um zu überleben - neben ihrem Beruf. Die Bezahlung als auch die Anerkennung von Leistung ist im benachbarten Ausland deutlich höher als in meinem Heimatland.

    Frau von der Leyen: Wenn Sie wissen wollen wo die ganzen Facharbeiter die hier fehlen wirklich sind, dann empfehle ich ihnen die Listen der Agenturen und der ARGEN zu überprüfen - dort finden Sie mehr als genug die wollen aber keine Chance bekommen.

    Als letzte Frage - Womit wollen Sie denn die Fachkräfte aus dem Ausland dieses Mal ködern? Wieder mit einer Greencard? Setzen Sie lieber das um was ihre Regierung versprochen hat nämlich qualifizierte Ausbildungen und sorgen sie dafür das staatlich tolerierte Unterbezahlung mit Leiharbeitern aufhört und Sie haben Fachkräfte ohne Ende.

  • G
    Godot

    Ich warte immer noch auf die Begründung, wie es möglich ist, dass Fachkräftebedarf herrscht und gleichzeitig die Lohnsteuereinnahmen sinken. Bisher hat das noch keine Zeitung auch nur thematisiert.

    -

    Und was Fachkräfte im Pflegebereich angeht: den Mindestlohn von 8,50 Euro/7,50 Euro (West) pro Stunde gibt es da noch nicht lang, er ist befristet bis 2014 und musste gegen den Widerstand der FDP durchgesetzt werden. Es ist ein Leichtes, auch den Mindestlohn noch zu umgehen, man schreibt das ganze als Haushaltshilfe aus oder macht ne Scheinselbstständigkeit, voila. Die CDU hat noch einen anderen Vorschlag: 800 Euro plus Kost/Logis, fertig. Das man davon im Alter nicht leben kann ist ja egal.

  • R
    Rainer

    Ich bin bereits im Jahre 2000, als ich mit 45 Jahren -trotz hoher Ausbildung und Erfahrung" für den deutschen Arbeitsmarkt zu alt wurde, nach Schweden gegangen. Ich komme gerne wieder zurück nach DE, wenn sich dort die "Einstellung" zu meiner Altersklasse geändert hat ....

  • A
    Andreas

    Fachkräftemangel in Deutschland? Ich bin sehr gut ausgebildet und gehe spätestens nächstes Jahr ins Ausland, weil ich mit 47 jahren zu alt bin für den deutschen Arbeitsmarkt. Im Ausland sind deutsche Facharbeiter begehrt, auch in meinem Alter. . Von der ARGE bekomme ich nicht ein Arbeitsangebot. Ausser Ein- Euro-Jobs gibt es nichts.

  • B
    Bine

    Der Fachkräftemangel resultiert aus der Unatraktivität

    einen Beruf auszuüben, bei dem die Hände dreckig werden. Wenig Geld bedeutet geringe Wertschätzung.

    Die Facharbeiter setzen sich körperlich ein, werden

    dabei auch noch dreckig und verdienen wenig.

  • O
    Observer.

    Die vielen hehren Absichten der Regierung:"Arbeitskreis,Bildungsnation,ältere Arbeitnehmer einstellen,Lehrer dringend benötigt,300000 Pflegekräfte fehlen e.c.t.", ich glaube gern das man das gerne durchführen möchte,aber bei einem Staat der überschuldet und Pleite ist,kann man das alles nicht mehr bezahlen,das ist leider die traurige Wahrheit und da helfen die verbalen Heißluftballons unserer Politiker auch nicht mehr,wir sind pleite,wie man ja auch überall im Land sehen kann!

  • I
    Ingenieur

    Auffallend die totale Phantasielosigkeit im Ausschöpfen der eigenen Reserven,es gibt z.B.haufenweise ältere abgeschobene Hochqualifizierte oder Leute die qualifiziert sind,aber keinen Formalabschluss haben,man redet immer von 'ausländischen Fachkräften',meint man vielleicht 'billige Fachkräfte'? Tatsache ist doch unsere Jungen Fachkräfte verlassen scharenweise das Land,die Top-Leute aus dem Ausland machen um DL einen Bogen.Ein Regierungsarbeitkreis zeigt doch nur die Ratlosigkeit unserer Regierung.Die geistigen Verkrustungen und üble Stimmung in DL muss aufgebrochen werden,dringende Reformen müssen durchgeführt werden,erst dann geht's voran.

  • P
    P.Roesing

    In welcher Branche soll es diesen angeblichen Fachkräftemangel geben ?

     

    In der Logistik kann dieser nicht sein, denn dann würde ich nicht schon fast 1 Jahr zuhause rumsitzen.

    Die Politiker haben keine Ahnung, "Gutbürgerlich" steht für unwissend und volksfern, zumindest macht es den Eindruck.

     

    Anmerkung: Ich hätte für 4,89 €/Netto/Stundenlohn Arbeiten können in einer Zeitarbeitsfirma, davon werden weder meine Tochter noch meine Freundin satt.

     

    Solange die Deutschen kein Rechtsanspruch auf Demokratie (laut Frau Merkel) haben, wird sich hier nichts ändern.

  • AF
    Arbeits frei

    Da wir schon wieder mal die gleiche sau durch's dorf getrieben; Facharbeitermangel!

    Ich habe von meiner arbeitsberaterin noch kein vernünftiges arbeitsangebot bekommen.Der zeitraum spielt hier keine rolle.

    Aber ich bin gut ausgebildet in mehreren gewerken. Mit praxiserfahrung. Und trotzdem kein bedarf seitens der süddeutschen personalverantwortlichen.

    Da lachen ja die hühner, wenn ich die postulierten kommentare dieser ministerin lese.

    Diese leute trauen sich nur nicht mit der wahrheit heraus; vollzeitarbeitsplätze für alle zu vernünftigen konditionen.

  • F
    Fachkraft?

    Was kann ich mit diesem Artikel anfangen? Was kann ich mit der Studie anfangen? Beim Lesen macht sich Ratlosigkeit breit.

     

    Es gibt strukturelle Problemen, die angegangen werden müssen. Aber ich sehe beileibe keine schlechten Bildungschancen für deutsche Schüler. Ich sehe nur einen bei den in der Industrie herrschenden Arbeitsbedingungen verständlichen Unwillen, technisch wissenschaftliche Studienfächer zu wählen. Und wenn ich mir den Anblick der Gebäude der TU-Berlin bei meinem letzten Besuch dort vor Augen führe, ist der Unwille ein derartiges Studium aufzunehmen zusätzlich verständlich.

     

    Neben der Politik (bessere Ausstattung der Hochschulen, um auch technische Studiengänge vom Umfeld attraktiv zu machen, Kinderbetreuungsmöglichkeiten etc.), den Unternehmen (Vereinbarkeit von Familie und Beruf, "Work-Life-Balance" vor allem für in der Industrie Beschäftigte verbessern) ist es aber vor allem die gesamte Gesellschaft, die ihren Umgang mit zukünftigen und aktiven Facharbeitern, Technikern, Wissenschaftlern und Ingenieuren überdenken muss.

     

    Solange es als wenig sexy gilt, sich ernsthaft mit den "MINT"-Themen auseinander zu setzen, solange Helden in Vorabendserien ihre Tagesfreizeit mit Berufen, die meist wenig mit den Grundlagen unseres materiellen Wohlstands zu tun haben, erkaufen, so lange muss man sich nicht über den dräuenden Fachkräftemangel wundern.

     

    Zum angeblich schon jetzt herrschenden Fachkräftemangel: Wenn wir denn in einer Marktwirtschaft leben, müssten sich die Gehälter und Arbeitsbedingungen eben dieser Fachkräfte verbessern. Tun sie aber nicht: Entweder wir leben nicht in einer Marktwirtschaft, oder es gibt keinen Fachkräftemangel!