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FUSSBALLOben ohne mit bröckelndem Unterbau

In der Regionalliga drohen mit Tennis Borussia und Dynamo zwei Traditionsvereine unterzugehen

Die Fußball-Profis von Union befinden sich im Urlaub. Trotzdem wurde an Pfingsten im Köpenicker Stadion an der Alten Försterei gefeiert. 1146 Fans erlebten den 1:0-Sieg der Union-Reserve gegen Viktoria 89 aus Tempelhof. Für die Verhältnisse in der sechstklassigen Berlin-Liga, wo sonst zweistellige Besucherzahlen angesagt werden, ein sensationeller Zuschauerzuspruch.

Nach dem Treffer von Christopher Quiring hat Unions "Zweete" den Aufstieg in die nächsthöhere Oberliga praktisch geschafft und freut sich auf die Derbys gegen die Erzrivalen BFC Dynamo und Tennis Borussia, gegen die vor wenigen Jahren noch Unions erste Mannschaft antrat. "Wunderbar - da werden die Stadien voller", jubelte Unions Reservekapitän David Hollwitz.

Andernorts in Fußball-Berlin, das nach dem Bundesliga-Abstieg Herthas als einzige Kapitale Europas ohne Erstliga-Kicker dasteht, ertönt der Blues. Der BFC hat die Oberliga-Saison versemmelt. Stattdessen steigt die 2. Mannschaft von Energie Cottbus in die Regionalliga auf. Dort stellte TeBe nach qualvoller Durststrecke am vergangenen Freitag einen Insolvenzantrag.

Fikret Ceylan ist traurig. "Es tut mir leid um diesen Traditionsverein. Wir haben immer gern gegen TeBe gespielt", sagt der Manager von Türkiyemspor, dem gefühlt letzten Berliner Regionalliga-Vertreter. Denn der Liga-Rivale Hertha BSC II speist sich aus dem Etat der Profis und wird von vielen Fans eher als Ärgernis wahrgenommen. Nachwuchsteams von Bundesligisten zögen kaum Fans an und nähmen den beliebten "Traditionsvereinen" den Platz weg, heißt es in der Szene, der bald der nächste Kahlschlag droht.

Während die Metropole in der Spielzeit 2010/2011 "oben ohne" dasteht, beginnt der Unterbau des Zweitliga-Zweigestirns Hertha und Union zu bröckeln. Die Fans bangen: Schwingt sich Dynamo nochmals zu einem finanziellen Kraftakt auf? Wie übersteht TeBe den Insolvenzantrag?

Bei Türkiyemspor, dem letzten der einstigen Hoffnungsträger, macht man sich wenig Illusionen. "Mittlerweile ist die Regionalliga eine Totenliga. Das macht auch keinen Spaß mehr", klagt Ceylan. Der Manager weiß, wie man das ändern könnte: "Man muss nach oben". In der 3. Liga flössen rund eine Millionen Euro an Fernsehgeld in die Clubkasse, fast das Zehnfache der Regionalliga-Quote.

Türkiyemspor hält sich in der Regionalliga mit 550.000 Euro mehr recht als schlecht über Wasser. In Berlin mangelt es an strategisch denkenden Sponsoren. Neidisch blicken die hiesigen Amateure ins Umland, wo Sparkassen oder Energieversorger die Vereine mit viel Geld befeuern. Die hiesigen Amateure dagegen sind oft auf lokale Mäzene angewiesen. "Wir repräsentieren nicht die Stadt, sondern höchstens den Bezirk", stellt TeBe-Vorstandsmitglied Hagen Liebing fest.

Doch auf dem Amateur-Humus gedeihen auch neue Blüten. So setzt Landesliga-Krösus Club Italia dazu an, die Berlin-Liga zu überspringen, indem man sich den Oberligisten Berlin Ankaraspor einverleibt. "Uns liegen Anträge von beiden Präsidien vor, dass man zusammengehen will", sagt Bernd Wusterhausen, Spielleiter des Berliner Verbandes (BFV).

Florian Sinnig, Gastronom und Italia-Präsident, will seine Pläne derzeit noch nicht offenlegen. Nur so viel verrät er: "Wir haben einiges vor." Um das zu unterstreichen fügt er hinzu, dass die Spielstätte der potenziellen Fusionspartner im Poststadion "regionalliga-tauglich" sei. Ob es Blütenträume bleiben? JÜRGEN SCHULZ

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2 Kommentare

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  • W
    Wuhlefloß

    kurze Nachfrage:

    Sie sprechen von "weder Dynamo" und erwähnen einen Satz später "noch der alte Stasiverein".

    Das ist doch eine Dopplung, oder welchen Verein meinen sie mit der Stasi in Verbindung zu bringen?

     

    Danke!

  • S
    Szene-Spicker

    Es ist schon lustig, wie hier argumentiert wird. Viktoria, TeBe, Türkiyemspor und einige andere eint, dass sie komplett über ihre Verhältnisse leben, so wie es der künftige Zweitligist aus Ruhleben allen vormacht. Strategische Sponsoren!!! Wer bitteschön soll denn in Vereine investieren, die systematisch ihre Jugendabteilungen finanziell ausbeuten (einige sprechen gar von Veruntreuung), die Spielern horrende Summen zahlen, die kaum geradeaus laufen können, die sich permanent selbst überschätzen und die alle die Berliner Subventionsmentalität mit der Kelle zu sich genommen haben.

    Es wird Zeit, dass in Berlin endlich ein vernünftiger Verein entsteht, der wirklich begeistern kann, professionell geführt wird und eine dauerhafte Perspektive aufbaut. Das ist weder Dynamo, TeBe oder Viktoria, schon gar nicht der aus Steuergeldern gepäppelte Erstligaabsteiger oder der alte Stasiverein. Vielleicht kann Union perspektivisch etwas schaffen, aber dazu müsste man das Image des Köpenicker Dorfvereins ablegen. Bis dahin bleibt es wahrscheinlich einige Jahre finster im Berliner Fußball.