FUSSBALL: Der Arbeiter-Trainer muss gehen
Nach sieben Jahren trennt sich Union Berlin von Coach Uwe Neuhaus – und sendet damit ein eindeutiges Signal.
Mit seinem Namen ist die jüngere Erfolgsgeschichte Union Berlins verknüpft: Uwe Neuhaus. Er übernahm die Köpenicker 2007 in der Regionalliga, führte sie in die eingleisige Dritte Liga – und danach bis an die Spitze der Zweiten Liga. Der aus dem Ruhrgebiet stammende Coach stand bei mehr als 260 Union-Spielen an der Seitenlinie. Der 54-Jährige war kaum mehr wegzudenken aus Köpenick.
War. Am Samstag entschied die Vereinsführung, dass man über diese Spielzeit hinaus nicht mehr mit Neuhaus zusammenarbeiten will. „Nach gründlicher Analyse der sportlichen Situation sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass für eine erfolgreiche Arbeit in der kommenden Saison ein mentaler und emotionaler Neustart im sportlichen Bereich notwendig ist“, sagte Präsident Dirk Zingler.
Union steht derzeit auf dem zehnten Tabellenplatz und blieb zuletzt mit nur einem Sieg in neun Spielen hinter den Erwartungen zurück. Erwartet wurde, dass man um den Aufstieg mitspielen kann. Und obwohl Mitkonkurrenten wie Kaiserslautern, St. Pauli und 1860 München kollektiv schwächelten, gelang dies nicht. Neuhaus, der sich nach der misslungenen Saison zuletzt nicht übermäßig selbstkritisch gab, sagte zu seiner Entlassung: „Die Entscheidung des Vereins bedauere, aber respektiere ich.“ Nach dem heutigen Spiel gegen Kaiserslautern (20.15 Uhr) wird er dann noch zweimal auf der Bank Platz nehmen.
Uwe Neuhaus gilt als sachlicher, nüchterner Fachmann und als einer der besten Trainer der Zweiten Liga. Als gelernter Elektriker und früherer Abwehrspieler schien Arbeitertyp Neuhaus bestens nach Köpenick zu passen – diszipliniert, gerade heraus, skandalfrei. Neuhaus hatte viel Macht im Verein: Nachdem Teammanager Christian Beeck im Frühjahr 2011 entlassen wurde, übernahm er die alleinige sportliche Leitung.
Im Sommer beginnt nun die Post-Neuhaus-Ära. Neben dem Coach müssen sich auch sechs Spieler einen neuen Verein suchen, darunter Baris Özbek und Adam Nemec, zwei überdurchschnittliche Zweitligaspieler. Es sind sehr deutliche Signale, die die Klubführung um Dirk Zingler da sendet: Mit dem Kuschelkurs ist’s vorbei in Köpenick – fortan gilt es, perspektivisch ein Erstliga-Team aufzubauen.
Man hat eben Lust auf mehr an der Alten Försterei. Bereits in dieser Saison hatte Union den zweithöchsten Etat der Liga mit etwa 11 Millionen Euro für das Profiteam. Nach Fertigstellung der neuen Haupttribüne verfügt der Verein über ein erstligataugliches Stadion.
Präsident Zingler sagte der Frankfurter Allgemeinen schon im Dezember, dass man sich an Bundesliga-Klubs orientieren wolle: „Wenn man sich Mainz, Freiburg oder Augsburg anschaut, dann hat man das Gefühl, dass die Leute dort ziemlich viel Spaß haben, mit dem, was sie tun. Wenn wir in den nächsten Jahren in die Bundesliga reinrutschen sollten, hätten wir den garantiert auch.“
Wenn man sieht, wie Union in nahezu allen Bereichen hoch professionelle Strukturen entwickelt hat, ist nachvollziehbar, dass man die Stagnation ausgerechnet auf höchster Ebene nicht akzeptiert. Die Nachwuchsteams spielen allesamt auf Top-Niveau, auch bei den Frauen ist die jüngste Entwicklung zumindest sehr positiv – die Unionerinnen könnten in die 2. Liga aufsteigen.
Der neue Trainer wird einen harten Job antreten, denn von ihm werden sehr schnell Erfolge erwartet. Wer Neuhaus beerben wird, ist unklar. Boulevardmedien bringen als möglichen Nachfolger Ex-St.-Pauli-Trainer Holger Stanislawski ins Gespräch. Auch der Name Mike Büskens (früher Fürth, Düsseldorf) fällt.
Die Fans reagierten überwiegend skeptisch auf die Entlassung von Neuhaus. So schreibt ein User namens Roter Wedding im Fanforum: „Die Tatsache, dass Neuhaus nach der ersten wirklichen Krise, nachdem er das erste Mal die Saisonziele verpasst hat, entlassen wird, macht mich wütend.“ So mancher hat Angst vor einer Negativentwicklung. Andere freuen sich auf den Umbruch und vermuten, dass die Chemie in der Führungsetage des Klubs nicht mehr stimmte.
Eine Legende wird Neuhaus für Union bleiben. Niemand war länger Union-Trainer als er, im Profifußball war er bis zum Wochenende der Coach, der seinen Posten am längsten bekleidete. Am 11. Mai wird er sich gegen 1860 München zum wohl letzten Mal an der Außenlinie niederlassen, während Nina Hagens Union-Hymne aus den Lautsprechern schallt.
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