FUNKY MINDMAPPING ZWISCHEN NEUKÖLLN UND MITTE UND EIN PREISGÜNSTIGER SONNTAGABEND : Preziosen aus Ich, Du und Es
VON JENNI ZYLKA
The Funky Version“ hieß die Veranstaltung aus der rührigen „Amüsemong“-Reihe, die am Freitag den Heimathafen Neukölln bewegte. Und mit funky ist es ja so eine Sache, wo „funky“ draufsteht, sollte idealerweise ordentlich Zynismus drin sein.
Man erinnere sich nur an die Zeit, als der Kajal von Prince noch schwarz war und er gnadenlos „My name is Prince, and I am funky, when it comes to Funk, I am a junkie“ reimte, als ob The Lords ihm die Versqualität eingechannelt hätten.
Aber Reim ist hier das brauchbare Stichwort: Käpt’n Peng und DJ Shaban, Brüder im Geiste wie im Fleische, waren nämlich die funky Band des Abends. Der Käpt’n heldenhaft mit Fieber auf Ibuprofen, dafür sah Shaban aber recht gesund aus. Während also Shaban an verschiedenen Schlagzeugzutaten den Beat rührte, Bass und Gitarre dazu den Groove unterstützten, rappte der Käpt’n seine ellenlangen und vermutlich nur mit kniffliger Schauspielertechnik (seine erfolgreiche Nebentätigkeit) erinnerbaren Sprechgesangstexte runter, als gäbe es kein Morgen.
Und: Schickte zwischen den Songs noch live Gedichte von der Bühne, reizende Preziosen, gereimt mit der Radikalität eines Heinz Erhardt und dem Humor eines Rainald Goetz … oder war’s umgekehrt … Man könnte jetzt zwar nicht genau sagen, worum es ihm ganz konkret immer ging, aber what the heck: Irgendwie ums Ich, ums Du und vermutlich auch ums Es, im freudschen psychischen Strukturmodell, versteht sich.
Wenn das so weitergeht, muss Peng sich tatsächlich bald überlegen, welche Karriere er featuren möchte: Können kann er beides absolut überzeugend. Grooven tun Peng und Shaban auch, und mit ein bisschen Mind Mapping und anderen Erinnerungshilfen schafft man es beim nächsten Mal vielleicht, zumindest ein paar der Bandwurmstudentenphilosophien mitzugrölen.
Wo wir gerade bei Versen und Intellektualität sind: Der Freitag war ja noch lange nicht zu Ende, im Kim in Mitte wurde nämlich die neue Ausgabe des Hamburger Magazins Kultur & Gespenster gefeiert, die unter dem Motto „Drogen“ steht, was nie verkehrt sein kann.
Es scheint sich dabei um eine Kunstzeitung zu handeln. Jedenfalls ist das Heft kleinstadttelefonbuchdick mit Texten und Bildern und gewissen Herausforderungen des modernen Layouts, denen man sich selbstverständlich gern stellt. Besonders beeindruckten darin „einige illustrierte Sprüche des Johann Wolfgang von Goethe“ von Michael C. Glasmeier, der beispielsweise unter „Bei jedem Kunstwerk, groß oder klein, bis ins Kleinste kommt alles auf die Konzeption an“ ein 70er-Model-Foto und „Barbara Klein, 38, Hausfrau“ drucken ließ.
Womit Goethe, Glasmeier und jene künstliche Frau Klein erstens recht haben und zweitens eine wunderhübsche teilweise posthume Zusammenarbeit schafften. Auch schön: der Koksdiskurs von Tim Stüttgen. Und das Interview mit dem Gründer des bolivianischen Coca-Museums, das einen an die Szene aus „Papillon“ erinnert, in der Papi Coca kauend tagelang im Dschungel seinen Verfolgern davonläuft. Mottogetreu konsumierte man also auf der Releaseparty, was es legal von dem ganzen Zeug gab, verbrachte den Samstag mit gemütlichem Nassgeregnetwerden, schaffte es aber am Sonntag noch mal kurz vor die Tür, sogar eher lang vor die Tür, in die wackere Friedrichshainer Astro Bar, die den marodierenden Horden und den hell erleuchteten Malibu-Lounges um sie herum mit den 13th Floor Elevators, Kraftwerk, Longdrinks für 3,50 Euro und immer noch den gleichen, schönen, abgetakelten Plastiksesseln trotzt. Wer schreit da frech „You’re so Nineties“? Na, irgend so ein besserwisserischer Expatriate wird’s schon gewesen sein.