piwik no script img

FU wählt StudierendenparlamentEine Wahl ohne Wähler

Ab heute können Studierende der Freien Universität ihr neues Studierendenparlament wählen. Doch auf dem Campus herrscht Politikverdrossenheit.

Politikverdrossen? Studierende. Bild: DPA

Vom heutigen Dienstag bis Donnerstag wird an der Freien Universität das Studierendenparlament (StuPa) gewählt. Rund 29.000 Studenten sind wahlberechtigt. Sie alle können über die zukünftige Zusammensetzung des StuPas entscheiden, das unter anderem den studentischen Haushalt verwaltet. Doch trifft die Wahl bei den Studenten auf wenig Interesse. 2014 lag die Wahlbeteiligung zu den StuPa-Wahlen bei nur rund 8 Prozent. An anderen Hochschulen, wie der Humboldt-Universität, war die Wahlbeteiligung mit 9 Prozent ähnlich gering.

Dabei gibt es reichlich Wahloptionen. Auf dem Wahlzettel der FU stehen Fachschaftsinitiativen wie Jura, Wirtschafts- und Politikwissenschaften, die überwiegend linksgerichtet sind. Hinzu kommen andere Unigruppen, die sich vor allem mit politischen Themen wie Gentrifizierung oder Umweltschutz profilieren sowie die Ableger großer Parteien wie die Jusos oder der Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS). Außerdem treten regelmäßig Unigruppen an, für deren Forderungen allein der Name steht: Die S*STB etwa fordert „Saufen und stressfrei studieren!“ und meint damit: Bier in der Mensa und keine Lehrveranstaltung vor 12 Uhr. Ihre politische Orientierung nennt diese Unigruppe hedonistisch.

Grundsätzlich kann jeder Studierende eine Liste – studentische Gruppe – anmelden, sofern sie nicht verfassungsfeindlich ist, erklärt ein Mitglied des studentischen Wahlvorstands. Die einzige Bedingung sind mindestens 20 Unterstützer, die im FU-Wählerverzeichnis stehen. Doch trotz dieses studentischen Aktionsraums herrscht Wahlmüdigkeit auf dem Campus der FU. Laut Marten Brehmer von den Jusos hätten viele FU-Studenten schlichtweg das Gefühl, kein Gehör in akademischen Gremien wie dem akademischen Senat zu finden. „Ihre Positionen werden schlicht ignoriert“, sagt Brehmer. Ein weiteres Problem sieht er im steigenden Leistungsdruck. So hätten viele Studierende durch die zunehmende Verschulung des Studiums „gar keine Zeit mehr, sich mit den verschiedenen Unigruppen auseinanderzusetzen“. Im aktuellen Wahlkampf setzen die Jusos neben FU-Themen deshalb auf den Faktor Zeit. Sie lehnen den Exzellenzstatus der FU ab, fordern eine freie Bildung ohne Anwesenheitspflicht und unbegrenzte Prüfungsversuche.

Maren Müller von der linken Unigruppe la:iz erklärt sich die geringe Wahlbeteiligung so: „Die Uni ist kein Lebensraum mehr, an dem Studenten sich wohlfühlen, sondern ein Job.“ Hingehen, Prüfungen absolvieren, heimgehen, so sehe der studentische Alltag heute aus. Doch will die la:iz das ändern und neue Freiräume an der Uni schaffen. Außerdem mobilisiert die Gruppe gegen steigende Mieten, Gentrifizierung und Pegida. „Wir wollen die StudentInnen politisieren“, sagt Müller. Die Universität solle wieder ein politischer Ort werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • Wie wollen denn junge Menschen zu einer politischen Haltung und politischen Meinung finden, wenn sie konform von der Kita bis zum Abitur nur noch in Massenunterkünften tagsüber gehalten werden und nur noch auf die 'Meinung' und 'politische Haltung' der Kita-Tante. Lehrer/in, Nachmittagsmassenabfertigungsbetreuer/in hören dürfen. Eigene Interessen und eigene Überlegungen zu haben, wird in Massenverwahranstalten systematisch ausgetrieben.

    Von Kleinkind an werden die Menschen normiert und zum Leistungszwang erzogen.

    Politische Bildung wird kaum noch in Schulen vermittelt. Solidarität und solidarisches Handeln sind in Kitas und Schulen Fremdworte geworden, weil Solidarität das Fernbleiben von Ellenbogenhandeln und von Karrieredenken und Karrierehandeln erfordert. Das Gegenteil von Solidarität und vom solidarischen Handeln wird von der Kita an bis zum Abitur den Kindern und Jugendlichen beigebracht.

    In den Massenverwahranstalten ist keine Möglichkeit des Rückzuges gegeben. Immer sind andere da. Kein versonnenes Mantschen im Schlamm; kein stilles Beobachten von Vorgängen in der Natur.

    Das Kinderzimmer zu Hause wird nur noch als Schlafraum wahrgenommen. Die Kinder und Jugendlichen werden dem Zuhause entrissen, noch bevor sie es je umfassend kennengelernt haben. Und so weiter und so fort.

    Dann braucht sich niemand zu wundern, wenn sich die Losgelöstheit von der Gesellschaft (die Entpolitisierung wird von mir als eine Forma der Losgelöstheit von der Gesellschaft betrachtet) bei den Studierenden fortsetzt und die Universität als Arbeitsplatz, denn als Lernort beziehungsweise Sozialisationsort wahrgenommen und sich entsprechend verhalten wird.