FREUNDESANFRAGE : Nichts Ernstes
Sie hat mir mein Auto kaputtgefahren, beim Wenden am Ufer des Gardasees, Achsenbruch an der Kaimauer.
Sie hat bei Van Halens „Jump“ am Ende des Refrains immer laut „Hu-hu-yeah!“ gemacht und geschwärmt, dass sie mit den Jungs backstage gewesen sei, dabei, so meinte sie, gäbe sie eigentlich nichts auf solche Sachen.
Sie hat immer von einem noch besseren Leben geträumt, während ich es schön fand, so, wie es war.
Sie hat bei „Rock gegen rechts“ ihren Rock auf links getragen und sogar mit dieser albernen Idee noch gut ausgesehen.
Sie hat mir in meinem schönen alten VW-Käfer den Kopf verdreht und hat das Auto dann, wie schon erwähnt, gegen die Kaimauer des Gardasees gesetzt, kurz nach Pfingsten 1997.
Sie hat ihren Eltern gegenüber einmal erwähnt, dass das mit uns tendenziell nichts Ernstes wäre, was ich jedoch erst viel später erfahren habe.
Sie hat sich immer erst dann für etwas entschuldigt, wenn es nicht mehr anders ging. Sie war bei manchen Dingen einfach nicht in der Lage, neinzusagen, zu widerstehen, zum Beispiel bei Schokolade oder einem gewissen Roberto, der in einem Klamottenladen in Wedding arbeitete.
Sie hat vermutlich von Anfang an ihr Ding gemacht, ohne dass ich das damals gemerkt habe. Was muss ich vernagelt gewesen sein. Irgendwann hat sie mir einen Zettel auf den Küchentisch gelegt, beschwert mit dem Marmeladeglas, und hat sich aus dem Staub gemacht.
Seit mehr als zehn Jahren habe ich nichts mehr von ihr gehört. Sie von mir auch nicht. Noch immer hat sie einige meiner besten Platten, für die Sache mit dem VW-Käfer stünde eigentlich auch noch eine Entschuldigung aus, und jetzt – jetzt möchte sie tatsächlich wissen, ob ich bei Facebook mit ihr befreundet sein will. Verrückte Welt.
JOCHEN WEEBER