FRAU ZEH, WAS DENKEN SIE GERADE? : „Danach sahen wir ihn nie wieder“
Juli Zeh, 36, ist Schriftstellerin. Als wir sie anrufen, fährt sie mit dem Regionalexpress nach Berlin und flüchtet aus Datenschutzgründen vor einer Fahrgastbefragung:
„Was mich im Moment beschäftigt, ist gar nichts Tiefgründiges, sondern etwas ziemlich Banales: Wo sind eigentlich die ganzen Handwerker hin? An unserem Häuschen im Brandenburgischen gibt es eine Menge zu tun, Rohrbruch, Gartenarbeiten, eine neue Mauer, zwei zerbrochene Dachziegel, das Übliche eben. Wir schauen in die Gelben Seiten, wir konsultieren das Internet, befragen die Nachbarschaft. Ohne Erfolg. Fliesenleger, Gärtner und Dachdecker gibt es, aber sie gehen nie ans Telefon und rufen nicht zurück. Sie sind krank. Oder ausgebucht bis 2023. Neulich hatten wir dann doch einen Maurer am Wickel. Er kam zur Vorbesprechung, versicherte, alles zu können, am nächsten Tag loszulegen und Ende der Woche fertig zu sein. Danach sahen wir ihn nie wieder. Wenn ich nun Diskussionen über Arbeitsmarktprobleme in Deutschland höre, werde ich nachdenklich. Der Baubranche in Ostdeutschland geht es angeblich nicht besonders. Zu wenig Aufträge, heißt es.“ Foto: Vario images