FRANKREICH II: IN DER ISOLATION WIRD DIE TÜRKEI NICHT DEMOKRATISCH : Ankara braucht klare Signale
Nicolas Sarkozy ist ein erklärter Gegner der türkischen EU-Mitgliedschaft. Dennoch erregt seine Wahl am Bosporus kein Aufsehen. Die Türken haben sich damit abgefunden, dass sie auf absehbare Zeit keine Fortschritte Richtung Europa machen werden. Die Gespräche sind faktisch auf Eis gelegt. Die Frommen konnten sich, trotz der verbalen EU-Euphorie der regierenden AKP, nie wirklich für die christliche EU erwärmen. Die proeuropäischen, säkularen Türken, die in diesen Tagen millionenfach auf die Straße gehen, waren bis vor wenigen Jahren die Basis der guten Beziehungen zwischen EU und Türkei. Jetzt protestieren sie nicht nur gegen den politischen Islam, sondern auch gegen die EU.
Abdullah Gül, dessen Präsidentschaftskandidatur der EU-Außenbeauftragte Solana unterstützt, sagt: „Wir haben keine versteckte Agenda. Aber in muslimischen Gesellschaften bedeutet Demokratisierung nun einmal größeres Gewicht der Religion im Alltag. Das ist eine natürliche Erscheinung.“ Gegen diese „Naturgewalt“, die sie zu überrollen droht, setzen die türkischen Säkularen auf die Armee – kein Ruhmesblatt für die Demokratie. Die führenden Köpfe der AKP betrachten die Demokratie als ein Vehikel zur Re-Islamisierung der Gesellschaft. Weder ist die AKP wirklich demokratisch, noch sind die säkularen „Kemalisten“ alle ultranationalistisch. Vor allem für die Türkinnen bedeutet Atatürk nun einmal Freiheit – man sehe sich in der übrigen islamischen Welt um. Es gibt keine Demokratie ohne eine Trennung von Religion und Politik. Nationalismus und Islamismus können nur mit weiterer Anbindung an die Welt eingedämmt werden – und nicht in der Isolierung.
Dringlich ist die Demokratisierung des Kemalismus, will man den Einfluss der Armee auf der Politik mindern. Das wird den säkularen Demokraten nur mit Hilfe einer ehrlichen Zusammenarbeit mit den Europäern gelingen: Eine klare Politik ist gefragt, sei es auch eine Entscheidung Sarkozys und Merkels für eine andere Form der Zusammenarbeit mit der Türkei als die der Vollmitgliedschaft. Sie wäre zu begrüßen. Denn die bisherige europäische Türkeipolitik hat versagt. DILEK ZAPTCIOGLU