FPÖ wirft ORF Manipulation vor: "Sieg Heil"-Streit in Österreich
Auseinandersetzung um angebliche "Sieg Heil"-Rufe in Österreich: Die rechte FPÖ streitet sich mit dem öffentlich-rechtlichen TV-Sender ORF darüber, wer denn nun Nazis anstiftet.
Wer in Österreich laut über die Sinnhaftigkeit des NS-Verbotsgesetzes nachdenkt - so wie Barbara Rosenkranz, Präsidentschaftskandidatin der rechten FPÖ, vor wenigen Wochen - kann sich strafbar machen: Das "Wiederbetätigungsverbot" der Alpenrepublik ist noch strikter als die bundesdeutschen Vorkehrungen gegen Verherrlichung des Nationalsozialismus und seiner Symbole.
Ausgerechnet die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) hat nun Anzeige wegen Wiederbetätigung und Anstiftung zur Wiederbetätigung eingebracht. Natürlich nicht gegen sich selbst. Sondern ausgerechnet gegen den öffentlich-rechtlichen TV-Sender ORF.
Stein des Anstoßes: Im Zuge der Dreharbeiten für die Milieu-Dokumentation "Der rechte Rand", die in der wöchentlichen Reihe "Schauplatz" läuft, hatte ein ORF-Team zwei jugendliche Rechtsradikale mit der Kamera im Alltag begleitet und sie auch bei dem Besuch einer FPÖ-Wahlkampfveranstaltung in Wiener Neustadt gefilmt. Die Partei wirft dem Sender nun vor, die beiden Rechtsradikalen für ihren "Einsatz" bezahlt zu haben. Und dass sie der ORF - und das auch noch in einem Firmenwagen des Senders - zur Politveranstaltung geschickt hat. Der ORF-Redakteur Eduard Moschitz habe den zwei Jugendlichen laut FPÖ-Parteiobmann Heinz Christian Strache Anweisungen gegeben, neben ihm "Sieg Heil" in die Kamera zu rufen. Das will Strache selbst gehört haben, der betroffene Redakteur bestreitet dies.
Der ORF hatte schon vergangene Woche der Polizei und Staatsanwaltschaft das Material mit der umstrittenen Stelle zur Prüfung übergeben. Die fand aber nichts, was auf eine strafbaren Handlung im Sachen "Wiederbetätigung" oder Anstiftung durch den Redakteur hinweist. Das Filmmaterial wurde vom ORF auch auf seiner Homepage veröffentlicht, "um alle Vorwürfe aus dem Weg zu räumen", wie es aus dem Sender heißt.
In dem besagten Ausschnitt hört man, dass Moschitz die Jugendlichen auffordert: "Jetzt könnts alles dem Herrn Strache sagen, was euch so wichtig ist." "Sieg Heil"-Rufe sind aber nicht zu hören. Der FPÖ-Chef behauptet nun, das Videomaterial sei im Nachhinein manipuliert worden und bietet sich selbst für einen Lügendetektortest an. Was der bringen soll? "Der soll zeigen, dass Strache nicht lügt und dass wirklich jemand 'Sieg Heil' gerufen hat. Er hat es gehört und diese Tonspur fehlt jetzt" erklärt ein FPÖ-Sprecher. Für die Partei sei dies "der größte Medienskandal in der Geschichte der Republik", am Mittwoch hatten sie sogar einen Dringlichkeitsantrag im Parlament eingebracht, der allerdings abgelehnt wurde.
Die Causa ist nun erneut für die Justiz interessant geworden. Am Donnerstag rückte die Polizei wieder aus: Diesmal sollte im Namen des Verfassungsschutzes das gesamte Filmmaterial der Dokumentation beschlagnahmt werden, so die Staatsanwaltschaft in Wiener Neustadt. Doch nun spielte der ORF nicht mit und verweigerte - wegen des Redaktionsgeheimnis - die Herausgabe des Materials. "Das Redaktionsgeheimnis ist uns ein sehr hohes Gut. Wenn wir nun Filmmaterial mit Sequenzen von jugendlichen Rechtsradikalen aus der Hand geben, kann nicht mehr garantiert werden, dass es nicht-öffentlich bleibt", so ORF-Sprecher Pius Strobl: "Damit wird vielleicht das Leben eines jungen Menschen für immer negativ beeinflusst."
Auf den Vorwurf, dass die zwei jungen Skinheads von der ORF-Redaktion zur FPÖ-Veranstaltung gekarrt wurden, erklärt ORF-Sprecher Strobl, dass beide in die Kamera gesagt hätten, sie gingen auf jede FPÖ-Veranstaltung. Deren Chef Strache sei zwar ein Arschloch, aber mit den Ausländern, da habe er schon recht. Das fragliche Material blieb vorerst im Sender: Es liegt mittlerweile versiegelt im Tresor und wartet bis zur weiteren Klärung der Rechtslage.
Aus gegebenem Anlass zeigte der ORF am Donnerstag Abend die besagte Dokumentation und eine prominent besetzte Diskussionsrunde im Anschluss. Strache selbst, ORF-Magazinchef Johannes Fischer, ein Verfassungsrechtler, ein Chefredakteur und weitere debattierten hitzig über Gehörtes und nicht Gehörtes in der gezeigten Doku. Strache war sich dann nicht mehr sicher, ob er nun ein "Sieg Heil" oder ein "Heil Hitler" gehört haben will. Fischer kommentierte dies trocken: "Ich glaube, Sie haben gar nichts gehört". Die Aufwandsentschädigung von 100 Euro für die zwei Jugendlichen sei laut ORF branchenüblich und auch in anderen Ländern Gang und Gebe.
Einer der beiden betroffenen Skins rief übrigens während der Sendung an, um Strache auszurichten, dass er sich von ihm benutzt fühle. Es liegt nahe, dass die FPÖ jeden Anlass gerne aufgreift, um von den aktuellen Problemen rund um die Kandidatur von Barbara Rosenkranz als Präsidentschaftskandidatin ablenken zu wollen.
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