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Archiv-Artikel

FPÖ macht mobil

Österreichs Freiheitliche starten Volksbegehren gegen die EU-Verfassung. Wirtschaft kontert mit Gegenaktion

Das Anti-EU-Volksbegehren in Österreichs Ratspräsidentschaft ist eine gezielte Provokation

WIEN taz ■ „Österreich bleib frei“ ist der Titel eines Volksbegehrens, das seit gestern in Österreichs Gemeindeämtern zur Unterschrift ausliegt. Die Freiheit sieht FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der Initiator des Plebiszits, durch die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und durch die geplante EU-Verfassung bedroht. Beides soll – so die Forderung – durch eine Volksabstimmung verhindert werden. Volksabstimmungen sind, anders als Volksbegehren, für den Gesetzgeber verbindlich.

Fotos von hysterischen Muslimen, die westliche Fahnen in Brand stecken, verdeutlichen in den FPÖ-Broschüren die Bedrohung, die von Strache beschworen wird. „Weil die EU-Osterweiterung ein Faß ohne Boden ist, hat (Bundeskanzler Wolfgang) Schüssel im Alleingang unseren EU-Mitgliedsbeitrag gerade verdoppelt!“, heißt es in der Werbung für das Volksbegehren, die es mit Fakten nicht allzu genau nimmt. „Zudem soll die Neutralität abgeschafft und mit dem EU-Beitritt der Türkei aus der Europäischen eine Eurasische Union werden. Zahlen für dieses milliardenteure Projekt müssen wieder die Österreicher …“ Strache sieht seine Rest-FPÖ, die nach der Abspaltung der Haider-Partei BZÖ 2005 übrig geblieben ist, als einzige Oppositionskraft. Mit fremdenfeindlichen Sprüchen hat er bei den Wiener Gemeinderatswahlen im vergangenen Oktober 15 Prozent erreichen können. Bei den Nationalratswahlen im Herbst will er mit Attacken gegen Ausländer und EU erneut zulegen.

Das Anti-EU-Volksbegehren in Österreichs Ratspräsidentschaft ist eine gezielte Provokation, die Aufmerksamkeit verspricht. Die Wirtschaft, die der Osterweiterung kräftige Zuwächse verdankt, kontert mit einer Pro-EU-Plakataktion. Strache legte die Latte betont niedrig: 100.000 und eine Unterschrift seien genug. Das ist die erforderliche Anzahl, damit die Forderung eines Volksbegehrens im Nationalrat diskutiert wird.

So kann jedes Ergebnis als Erfolg verkauft werden. Denn obwohl das Unbehagen gegenüber einem möglichen Türkei-Beitritt von der großen Mehrheit des Wahlvolkes geteilt wird, scheuen viele davor zurück, sich vor den Wagen des polternden Populisten spannen zu lassen. Nicht einmal alle Abgeordneten, die sich zur FPÖ bekennen, wollen unterschreiben. In der Praxis sind selbst die erfolgreichsten Volksbegehren der letzten 30 Jahre, von denen einige über eine Million Unterschriften erzielten, ohne politische Konsequenzen geblieben.

RALF LEONHARD