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FKK-Wandern in der SchweizSchwere Zeiten für Nackedeis

Ein höchstrichterliches Urteil erlaubt den Kantonen, gegen unbekleidete Spaziergänger und Nacktbadende Verbote und Strafen zu verhängen.

Damit könnte bald Schluss sein in der Schweiz. Bild: olivermick / photocase.com

GENF taz | Die 26 Schweizer Kantone dürfen das Nacktwandern auf ihrem Territorium verbieten und Zuwiderhandlungen bestrafen. Diese Entscheidung hat die höchste eidgenössische Justizinstanz, das Bundesgericht in Lausanne, am Donnerstag im Verfahren gegen einen Mann aus dem Halbkanton Appenzell Ausserrhoden getroffen.

Der 48-Jährige war im Oktober 2009 auf einem Waldweg in der Nähe der Stadt Herisau hüllenlos an einer Familie mit Kleinkindern vorbeigewandert. Er passierte zudem ein christliches Rehabilitationszentrum für Drogenabhängige. Eine Passantin stellte ihn zur Rede und erstattete Strafanzeige.

Gegen das von der Polizei verhängte Bußgeld in Höhe von 100 Franken (umgerechnet rund 84 Euro) erhob der Nacktwanderer Einspruch beim Kantonsgericht Appenzell Ausserrhoden, das ihn 2010 zunächst vom Vorwurf des "unanständigen Benehmens" freisprach. Doch das kantonale Obergericht gab dem Revisionsbegehren der Staatsanwaltschaft statt und verurteilte den Nacktwanderer nicht nur zur Zahlung der Buße, sondern auch zur Übernahme der Verfahrenskosten von 3.330 Franken.

Dagegen erhob der Betroffene Beschwerde beim Bundesgericht, das den Fall am Donnerstag in einer öffentlichen Sitzung beriet. Zu Sitzungen dieser Art kommt es nur in solchen Fällen, wenn sich die fünf RichterInnen nicht einig sind. Der Anwalt des Nacktwanderers wies in seiner Beschwerde darauf hin, dass der Schweizer Bundesgesetzgeber das schlichte, nicht mit einer sexuellen Absicht verbundene Nacktsein bewusst nicht unter Strafe gestellt habe. Damit sei kein Platz für eine entsprechende Strafnorm auf kantonaler Ebene.

Anwalt wehrt sich

Das fragliche Verbot greife in unverhältnismäßiger Weise in die persönliche Freiheit von Nacktwanderern ein. Es entspreche angesichts der omnipräsenten Nacktheit in den Medien kaum dem Schutzbedürfnis einer Mehrheit in der Bevölkerung. Hinzu komme, argumentierte der Anwalt, dass der im Strafgesetzbuch des Kantons Appenzell Ausserrhoden enthaltene Tatbestand des "unanständigen Benehmens" zu wenig klar umschreibe, was genau verboten sei.

Sollte unbekleidetes Wandern oder Baden tatsächlich unter Strafe gestellt werden, müsste dies auch ausdrücklich festgehalten werden. Allerdings, so der Anwalt, sei ohnehin davon auszugehen, dass die Mehrheit der Bevölkerung das Nacktwandern überhaupt nicht als "unanständig" empfinde. Schließlich liege ein Verbotsirrtum vor, da der Betroffene seit Jahren nackt gewandert, dafür aber noch nie belangt worden sei.

Doch dieser Argumentation wollte eine Mehrheit der fünf BundesrichterInnen nicht folgen. Mit ihrem Urteilsspruch gegen den Mann aus Appenzell Außerrhoden, das allen 26 Kantonen das Verbot des Nacktwanderns erlaubt, ist auch ein Verfahren im Nachbarkanton Appenzell Innerrhoden erledigt. Vor dem dortigen Bezirksgericht sind gegenwärtig noch die Verfahren von zwei Nacktwanderern anhängig, welche die gegen sie verhängten Bußgelder über 200 Franken angefochten haben.

In Innerrhoden existierte bereits eine Strafnorm, die das Nacktwandern ausdrücklich verbietet. Sollten alle 26 Kantone Verbote verhängen, wird es eng für NacktwanderInnen und -badende: Nur 1 Prozent des Schweizer Territoriums ist FKK-Gelände.

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15 Kommentare

 / 
  • NM
    Normaler Mensch

    Warum haben Menschen Probleme mit der Darstellung ihres Körpers? Hier hat die Kirche über Jahrhunderte die Moral und die Gehirne so gewaschen, dass sich ein Mensch vor dem anderen schämen soll.

    Ich kenne keine Spezies und auch kein Säugetier, dass sich vor dem anderen schämt oder bestimmte Teile seines Körpers verdeckt, damit andere es nicht sehen können. Es macht auch keinen Sinn. Es sei denn, man fördert damit eine Industrie, die gegen Bezahlung diese staatlich verordnete Bedeckung wieder offenlegt.

    Es spielt sich alles nur im Gehirn ab. Wir sollten mal überlegen, wieweit man unsere Gehirne schon geschädigt hat und wir glauben, diese Schädigung für uns als normal hinnehmen zu müssen.

  • I
    ilmtalkelly

    @ Berliner

    Westberliner ?

  • WM
    Werner Mayer

    Ich finde das Urteil absolut angebracht. Das Argument des Verteidigers, dass ja sowieso rundherum alles nackt sei (Medien, etc.) ist absolut dümmlich und sollte zusätzlich bestraft werden. Ich sehe keinen einzigen Grund, dass man im öffentlichen Raum nackt vom Punkt A nach Punkt B zu gehen hat, vielleicht aus einer perversen Veranlagung heraus, aber das verneint ja der Beklagte sowie sein Anwalt.

    Warum gibt es so viele "sog. Menschen", die all das ausserordentlich

    Schöne und Freie, wie z.B. unsere grenzenlose Natur mit solch abnormalem Verhalten zu stören gewillt sind? Wie blöd kann ein solcher "Mensch" denn noch werden? Haben wir von solchen Typen weitere derartige Ueberrascheungen zu erwarten? "Hoffentlich wird es nicht schlimmer, als es schon ist" sagte ein berühmter Denker.

  • N
    Nacktarsch

    wie krank ist das denn? Ich habe keine Lust, mir in der freien Natur oder anderswo von jetzt auf nachher, Hängeschwänze, Hängebusen, Bier- oder Tortenbäuche, Dickärsche anzugucken. Die meisten Leute ( inkl. ich) tuen sehr gut daran, sich zu bedecken, je nach Zustand darf es dann auch ein wenig mehr sein. Der/die Normale entspricht halt zu 99% nicht dem wie auch immer und von wem auch immer hochgehängtem ästhetischem Anspruch der Allgemeinheit.

     

    Ich möchte mich nur einem "ausgewähltem Personenkreis" nackt zeigen und gezeigt bekommen. Und das ist nunmal meine Freundin.

  • B
    Berliner

    Richtig so! Einfach lächerlich, in dem Zusammenhang von Menschenrechten zu sprechen. Wir hatten in Berlin einen ähnlichen Fall vor ein paar Jahren! Natürlich initiiert oder ideenverwandt mit Grün und Links!

    Die Nacktheits-Fanatiker sollte und muss man - ausgenommen die einsamen oder extra gekennzeichneten Badestrände- in die Schranken weisen, es sind doch nur Provokateure.

  • CS
    Christian Steifen

    Als uns gesagt wurde, wir müssten den Gürtel enger schnallen, hat niemand gesagt, dass man dazu eine Hose tragen muss. Dass ein Mann aus »Innerhoden« nicht mit »Äusserhoden« rumlaufen darf, sollte eigentlich aber klar sein. Ist das hier die WAHRHEIT?

  • P
    P.Haller

    Innerrhoden verbietet Nacktwandern und in Ausserrhoden hat man nix dagegen. Irgendwie ist das verkehrte Welt für mich !! Aber Hoden ist eben nicht gleich Hoden, man lernt nie aus bei den Schweizern !!

  • S
    Schamlos

    In einem Landstrich mit Bezeichnung " Kanton Appenzell Ausserrhoden" sollte man eigentlich Nacktwandern dürfen.

  • V
    vic

    Ach, Schweiz.

     

    Sind wir nicht alle "unanständig" zur Welt gekommen, oder sind Schweizer bereits bei Geburt bekleidet;)

    Anm:

    Nacktwandern ist nicht mein Ding, doch ich würde sicher niemanden deswegen anzeigen.

  • SG
    Schweizer Gnome

    Nackt ist ja wirklich unanständig!

    .

    Ohne die Gold-Card von UBS, Credit-Swiss, einer Privatbank um den Hals.... geht man in der Schweiz nicht auf die Strasse. Damit ist man immer gut angezogen.

    .

    Das hätte der Typ doch wissen müssen: einem nackten Mann kann man nicht in die Tasche greifen.... und da verstehen die Schweizer gar keinen Spass.

  • KS
    kleiner Spinner

    "Diese Entscheidung hat die höchste eidgenössische Justizinstanz .. am Donnerstag im Verfahren gegen einen Mann aus dem Halbkanton Appenzell Ausserrhoden getroffen."

     

    Dort sieht man seit Donnerstag alles ausserr Hoden.

     

    (sorry...)

  • A
    Alban_der_Unweise

    Mir ist jetzt überhaupt nicht klar geworden, OB und möglicherweise WARUM der Mann wegen des Vorfalls in Herisau vom obersten Gericht zu einer Strafe verdonnert wurde.

    Aus dem Artikel geht nicht klar hervor, ob in dem betreffenden Kanton ein Verbot explizit gegen das "Nacktwandern" zum damaligen Zeitpunkt bereits existierte. Schließlich prüfte das erste Gericht (Kantonsebene) auf "unanständiges Benehmen" und nicht auf einen Übertritt eines angeblich/möglciherweise in dem Kanton exitierenden Nacktwander-Verbotes.

    Für mich geht aus dem Artikel eigentlich nur hervor, dass jeder Kanton ein Nacktwanderverbot ausformulieren darf, was aber nur Rechtswirkung in die Zukunft haben kann.

    Also nochmal: Gab's zum Vorfalls-Zeitpunkt in Herisau schon ein Verbot oder nicht?

     

    Irgenwie etwas wirr das Ganze.

  • J
    Jam

    Nacktwandern in InnerHoden und AußerHoden verboten, erlaubt, wie auch immer. Tolle "Nachricht", liebe taz Redaktion. Hätte ich lieber als Aufhänger gemacht, statt als 4. Artikel auf der Hauptseite.. Vielleicht solltet ihr noch ein Dossier anlegen. Ein Unding, dass die Schweiz verbietet, was in Deutschland auch verboten ist.. Die sind doch sonst so modern und verbieten höchsten religiöse Symbole..

  • L
    luetzgendorff

    Erst wird der Papst-Kuss verboten und jetzt das. Da sage noch einer, im Iran ginge es repressiv zu. Hier in Europa ist es ja genauso schlimm. Herr Zumach, diesen Vergleich hätte ich von Ihnen als das allermindeste erwartet. Und wo bleibt der Verweis auf den Mohammed-Karikaturenstreit?

  • W
    Waltrun

    Unschönen und gefährlichen Seelen erscheint sogar das Schönste unschön und gefährlich, nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Ägypten: http://www.nzz.ch/nachrichten/panorama/aegypten_1.13345901.html