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Archiv-Artikel

FILBINGER WÄHLT BUNDESPRÄSIDENT – DAS HABEN BEIDE NICHT VERDIENT Der rechte Rand freut sich

Es ist bewährte Tradition, dass die Parteien zur Bundespräsidentenwahl auch ein paar prominente Leutchen schicken, die mit der Politik wenig zu tun haben. Das ist zwar albern und, wenn man es böse sieht, verlogen, weil das Stelldichein der Sportler, Schauspieler und Sänger eine offene, direkte Demokratie nur vortäuscht, die es gerade bei dieser Wahl nicht gibt. Auch von den „Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“ wie Rosi Mittermaier und Ottfried Fischer wird am Sonntag erwartet, dass sie so abstimmen, wie es die Parteien wünschen, die sie nominierten. Aber immerhin hellen diese Gaukler das Grau-in-Grau der Berliner Politikgesichter einen Tag lang auf. Wenn man es ganz optimistisch sieht, kann man in der Show einen Gewinn für die Demokratie erkennen, weil sie das Interesse am politischen Geschehen steigert.

Dass der ganze Quatsch furchtbar schlimm und schädlich wäre, ließe sich jedenfalls nicht sagen – war bisher eher harmlos, das Ganze. Diesmal aber ist das anders. Die CDU hat sich entschieden, die bewährte Tradition zu nutzen, um einen Promi aufzustellen, der diese Ehrung nicht verdient hat: Hans Filbinger, der noch in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs als NS-Marinerichter an Todesurteilen gegen Deserteure beteiligt war. Der nie den Versuch unternahm, die NS-Zeit und seine Rolle darin aufzuarbeiten, und sich nie überzeugend von den Nazis distanzierte. Trotzdem darf Filbinger jetzt, 26 Jahre nachdem er als Ministerpräsident Baden-Württembergs zurücktreten musste, den Bundespräsidenten wählen.

Eine Nebensächlichkeit am Rande? Nein. Es geht ja nicht darum, dass die CDU den Fall Filbinger einfach nur ruhen lässt. Das wäre hinnehmbar. Doch sie wertet den Täter Filbinger durch seine Nominierung für die Bundesversammlung ausdrücklich auf. Als die CDU nach Martin Hohmanns antisemitischer Rede ein Parteiausschlussverfahren anstrengte, schien sie sich deutlich vom rechten Rand abzugrenzen. Aber im Fall Filbinger handelt sie nach dem Motto: Ein bisschen Naserümpfen der Linken schadet weniger, als die Genugtuung der rechten Wähler nutzt. LUKAS WALLRAFF