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Archiv-Artikel

FELIX LEEPOLITIK VON UNTEN Der Wendländer hält, was er verspricht

30 Jahre Dauerwiderstand gegen das atomare Endlager Gorleben im Landkreis Lüchow-Dannenberg halten die örtlichen Atomkraftgegner auf Trab. Das wird auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen zu spüren bekommen

Wenn der Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg warnt: „Die Proteste werden enorm sein“ – dann sind das keine leeren Drohgebärden. Denn das unterscheidet den wendländischen Widerstand von Protesten anderer Orte, wo derartige Drohungen tatsächlich oft mehr Wunschdenken sind als Realität. Die Wendländer halten, was sie versprechen.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat in diesen Tagen angekündigt, dass er die Erkundung des Salzstocks in Gorleben als Atomendlager wieder aufnehmen wird. Bei den Wendländern hat das erwartungsgemäß einen Sturm der Entrüstung ausgelöst – hatte Röttgens Vorgänger Sigmar Gabriel die Endlagerplanung doch erst Ende August 2009 für „tot“ erklärt. In bewährter Manier hatten noch vor der offiziellen Bekanntgabe rund 80 Atomgegner vor dem Erkundungsbergwerk wütend gegen Röttgers Pläne demonstriert. Und das dürfte erst ein kleiner Vorgeschmack gewesen sein.

Die Atomkraftgegner im niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg sind berüchtigt für ihren Widerstandsgeist – seit mehr als 30 Jahren halten sie den Bau des Endlagers auf. Die Inbetriebnahme eines Zwischenlagers konnten sie zwar nicht verhindern. Der jahrzehntelange Protest hat die Menschen aber so sehr auf Trab gehalten, dass innerhalb kurzer Zeit der halbe Landkreis auf Straßen oder Schienen sitzt, sobald ein Castor-Zug gen Wendland zu rollen wagt. In dem einst konservativ geprägten Landstrich ist eine aufmüpfige Protestkultur entstanden. Jedes Dorffest ist politisch konnotiert. Sonntagsspaziergänge werden zu Protestmärschen. Es wird gehäkelt und gesungen gegen Atomkraft. Und wer vor seinem Haus kein gelbes X stehen hat, von dem ahnt man: Der gehört zur Betreiberseite.

Dazu beigetragen haben aber nicht nur die Wendländer selbst. Ich weiß von zahlreichen Atomkraftgegnern aus Großstädten, die sich bewusst in Lüchow-Dannenberg niedergelassen haben. Mitten auf dem platten Land sorgen sie für ein Flair, wie man es früher nur aus Kreuzberg 36 oder dem Hamburger Schanzenviertel kannte.

Schon so manch ein Umweltminister hat sich bei den Wendländern die Zähne ausgebissen. Norbert Röttgers muss sich dort erst einmal sehen lassen. Der Landkreis kann es kaum erwarten.

Der Autor ist Redakteur für soziale Bewegungen Foto: W. Borrs