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FDP vehement gegen DatenspeicherungWenn Liberale pirateln

Die FDP versucht es mit der direkten Demokratie: Die Bürger sollen über die Vorratsdatenspeicherung entscheiden. Liberale und Union sind in dieser Frage unversöhnlich.

Telefondaten für jeden? Nicht mit der FDP Bild: Elektro / photocase.com

BERLIN taz | „Das Ganze“, sagt Jimmy Schulz, „ist vor allem eine ungelöste Frage zwischen Europa und Deutschland, nicht zwischen den Koalitionären.“ Das Ganze – das ist für den 35 Jahre alten FDP-Bundestagsabgeordneten der Streit um die Vorratsdatenspeicherung. Und in dieser Frage stehen sich in der Bundesrepublik Liberale und Union unversöhnlich gegenüber. Nun sollen die Europäer entscheiden. Das jedenfalls wünschen sich Jimmy Schulz und seine Partei.

Das FDP-geführte Justizministerium lehnt die sogenannte anlasslose Vorratsdatenspeicherung vehement ab. Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sieht sich dabei an das Urteil des Bundesverfassungsgericht gebunden, das die Datensammelei 2010 für verfassungswidrig erklärte. Die Christdemokraten wiederum pochen darauf, die von der EU-Kommission gesetzte Frist einzuhalten. Wenn der Bund die EU-Richtlinie nicht bis Mitte April umsetzt, drohen Strafzahlungen.

Jimmy Schulz, Obmann der FDP-Fraktion in der Enquete-Kommission „Internet und Digitale Gesellschaft“, dreht nun das große Rad: Am 1. April bringt er eine EBI, eine „Europäische Bürgerinitiative“ auf den Weg, um die Bürger zu fragen, was sie wollen. Die Botschaft: Wenn ihr von der CDU/CSU euch nicht auf uns zubewegt, machen wir’s halt wie die Piraten – über direkte Demokratie.

Datenspeicherung

Nach einer im Jahr 2005 vom Europäischen Parlament verabschiedeten Richtlinie sollen alle Mitgliedsländer die Telekommunikationsdaten aller Bürger mindestens sechs Monate lang speichern.

Wer hat wann mit wem telefoniert oder eine Mail geschickt? Diese Daten ihrer Kunden müssten die Firmen vorhalten – vorsorglich, ohne dass ein aktueller Anlass oder Verdacht besteht. Damit hoffen die Regierungen, Verbindungen zwischen Verbrechern oder Terroristen schneller auf die Spur zu kommen und Anschläge zu verhindern.

Kritiker halten dies für gefährlich, weil die so aufgehäuften Informationen zu leicht zu missbrauchen wären. Sie befürchten den gläsernen Bürger. Das Bundesverfassungsgericht urteilte im März 2010, das deutsche Gesetz zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung verstoße gegen das Grundgesetz. Seitdem tobt der Streit in der Koalition.

Dem großen Koalitionspartner dürfte diese Volte nicht gefallen. Am Mittwoch machte der Innenminister erneut klar, dass die Union in dieser Frage nicht mit sich handeln lässt. Internet- und Telefonverbindungsdaten müssten sechs Monate gespeichert werden, das sei nun mal europäische Rechtslage. „Da bleibe ich hart“, sagte Hans-Peter Friedrich der ARD.

Aufploppende Gerüchte

Weil in diesen Tagen im politischen Berlin immer wieder das Gerücht aufploppt, die Vorratsdatenspeicherung könnte anderthalb Jahre vor der Bundestagswahl zum Koalitionsbruch führen, sagte der CSU-Mann, er „glaube nicht, dass die FDP so weit gehen wird, es darauf ankommen zu lassen“.

Beim kleinen Koalitionspartner indes wird munter weiter gestichelt. Nach dem verheerenden 1,2-Prozent-Wahlergebnis im Saarland am vergangenen Wochenende ist die FDP bemüht, sich gegenüber der Union zu profilieren. Nach der EBI-Aktion des Abgeordneten Schulz gefragt, signalisiert Generalsekretär Patrick Döring volle Unterstützung der Bundespartei. Er halte das „Verhandeln im Hinterzimmer über die Vorratsdatenspeicherung, einem derartig tiefen Eingriff in die Grundrechte der Europäer, für unangemessen“, sagt er der taz. Die EBI sei „eine tolle Möglichkeit“, dieses neue Instrument der direkten Bürgerbeteiligung zu stärken.

Die Mehrheit der Deutschen sei ohnehin gegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung. Dagegen wirken die Worte von Unionsfraktionschef Peter Altmaier geradezu beschwichtigend: „Ich glaube, dass unser liberaler Partner seine Haltung überdenken muss“, sagt er der taz. „Die FDP war immer eine Rechtsstaatspartei. Dazu gehört, dass geltende Gesetze einzuhalten sind.“ Das klingt, als wolle man es im Guten versuchen. Aber wie sollte das gehen, wenn selbst Altmaier feststellt, er sehe im Moment „keine Kompromisslinie, die eine EU-Klage verhindern würde“?

Jimmy Schulz, der aufmüpfige Fraktionsobmann und FDP-Netzpolitiker, bleibt selbstbewusst. „Wir haben die politische Gestaltungsmöglichkeiten“, sagt er, „wir sitzen in der Regierung.“

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7 Kommentare

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  • L
    Lenny

    Es ist totaler Blödsinn, dass Deutschland dieses umsetzten muss, weil Brüssel es so beschlossen hat.

     

    Es gibt eine Generalklausel, die aussagt, dass ein Beschluß nicht umgesetzt werden muss, wenn dieser gegen die nationale Verfassung verstößt. In diesem Fall drohen auch keine Strafzahlungen.

  • N
    NaBoHi

    Strafzahlung oder Verfassungsbruch - eine Schwere Wahl ...

  • D
    deviant

    „Die FDP war immer eine Rechtsstaatspartei. Dazu gehört, dass geltende Gesetze einzuhalten sind.“

     

    Dazu gehört auch, das oberste Verfassungsgericht ernstzunehmen, wenn das eindeutig feststellt, dass dieses Gesetz gegen die Verfassung verstößt - ist es nicht eher die Union, die hier einen Unrechtsstaat aufbaut?

     

     

    Zudem muss ich immer wieder das Argument hören, dass sei von Brüssel so beschlossen und müsse nun umgesetzt werden. Meinen Informationen zufolge leistet sich Deutschland aber bereits an mehreren Stellen Strafzahlungen, weil es gegen EU-Recht verstößt, und zwar mit Unterstützung der und nicht gegen die Union - absolute Gewissheit über einen konkreten Fall habe ich zwar nicht, gehe aber davon aus, dass es hier zum Beispiel um das Bildungssystem geht und hier insbesondere um das von der Union forcierte kategorische Aussortieren von "Behinderten", was als klarer Verstoß gegen die allgemeinen Menschenrechte gewertet wird und von Deutschland seit Jahren einfach ignoriert wird - stattdessen werden die gleichen Bildungschancen wieder von Jahr zu Jahr stärker an die Herkunft gebunden.

  • E
    Erich

    Ab und zu könnte man die FDP fast lieb haben ... nur hintenrum betrügen sie den geneigten Wähler mit der CDU und den Hoteliers ;-)

  • ME
    Maja-Helga Easterwelle

    Eine Partei, die mehr Mitglieder als Wähler hat, sollte sich nicht länger anmassen, mit ihren paar Hanseln etwas Repräsentatives gestalten zu wollen.

     

    Man hört in Schleswig-Holstein schon das laute Pfeifen kurz vor dem Aufprall. Auch der Schönberg-Opportunist Kubicki wird das nicht wenden können, auch nicht mit einer Volte nach links.

     

    Frau Leutheusser-Schnarrenberger aber braucht dringend ein neues politisches Umfeld, das sie dabei unterstützt, die hinterbliebenen Bürgerrechte zu bewahren vor dem großen anonymen zentralen "Zugriff". Im Gegensatz zu den vielen konservativen Tussen im Kabinett bleibt sie aus grundsätzlichen Erwägungen bei ihrer bürgerfreundlichen Haltung und stößt nur auf Unverständnis.

  • EF
    ED Färber

    Viel Aufmerksamkeit für eine Splitterpartei, die sich grad an der Saar ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz 7 mit der NPD geliefert hat.

  • R
    robbyy

    Wenn die Merkel noch nen bißchen Verstand hat, macht sie dem Drama ein Ende und schickte die FDP in die Wüste.