: FDP: „Wir fallen nicht um“
■ Liberale lehnen Großen Lauschangriff weiter ab / Arbeitsplätze sind das wichtigste Wahlkampfthema
Bonn (dpa/AP/AFP/taz) – Die Liberalen wollen trotz starken Drucks aus den Reihen der Union dem Großen Lauschangriff nicht zustimmen. Das erklärte gestern Generalsekretär Werner Hoyer nach einer Sondersitzung des FDP-Präsidiums zur Strategie der Partei im Wahlkampfjahr 1994. Das Präsidium habe den im Juni auf dem Parteitag in Münster mit Zweidrittelmehrheit gefaßten Beschluß gegen die „Wanzen“ bestätigt, sagte Hoyer. Auch Fraktionschef Hermann Otto Solms, der persönlich für den Lauschangriff plädiert, trug den Beschluß mit. Die Liberalen vertrauten den Versprechen des Bundeskanzlers und des CDU-Fraktionsvorsitzenden, wonach die Union im Bundestag nicht gegen den Koalitionspartner stimmen werde. Hoyer warnte davor, zur Bekämpfung der Kriminalität ein Instrument in Angriff zu nehmen, „das in seiner Wirkung gnadenlos überschätzt wird“. In der Frage der Pflegeversicherung und des Paragraphen 218 bestätigte die Führung ebenfalls den bisherigen Kurs.
Ein Sonderparteitag zu dem innerhalb der Partei umstrittenen Thema Lauschangriff ist nach Hoyer von der Parteispitze nicht diskutiert worden. Zum Verhältnis der Parteiführung zu den vier Landesverbänden, die sich für den Wanzeneinsatz im Wohnzimmer ausgesprochen hatten, meinte der Generalsekretär, es sei wichtig, „innerparteilich fair miteinander umzugehen“. Partei und Bundestagsfraktion würden sich nicht auseinanderdividieren lassen.
Kinkel, dessen Führung in letzter Zeit innerparteilich zunehmend kritisiert worden war, hatte am Sonntag abend vom Präsidium in einer mehrstündigen Sitzung in wesentlichen Streitfragen der Partei und der Koalition volle Unterstützung erhalten. Am Rande der Beratungen hatte der FDP-Chef sich sehr zufrieden über die Unterstützung seiner Partei geäußert. Der innerparteiliche Streit sei nun überwunden. Man werde geschlossen und kämpferisch in das Superwahljahr 1994 ziehen, meinte er.
Unterdessen forderte der FDP- Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff von seiner Partei mehr Profil. Die FDP müsse „härter und klarer“ auftreten und sich jetzt „mit großer Deutlichkeit“ ihrer Klientel widmen. Die Liberalen müßten beispielsweise darauf achten, daß Selbständige und Leistungsbereite, wozu er auch Facharbeiter zähle, „nicht untergebuttert“ würden. Die Partei habe noch eine „schwierige Wegstrecke“ vor sich, meinte er mit Blick auf 1994.
Wichtigstes Thema der FDP im kommenden Wahljahr soll die Schaffung von Arbeitsplätzen sein. Die gegenwärtige Krise müsse als Chance begriffen werden, „verkrustete Strukturen aufzugreifen“. Daneben will die FDP die innere Sicherheit und den Abbau bürokratischer Hemmnisse in den Mittelpunkt der Wahlkämpfe stellen.
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