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FDP-Parteitag in NeumünsterKeine Provokation erwünscht

Die Jungen Liberalen in Schleswig-Holstein wollten auf dem Parteitag eine klarere Trennung von Staat und Kirche erreichen.

Klarere Trennung von Kirche und Staat? Nein, sagt die Mehrheit auf dem FPD-Landesparteitag in Neumünster. Bild: dpa

NEUMÜNSTER taz |Die Forderungen waren deutlich: Die Kirchen sollten das Recht zur Steuererhebung verlieren und keinen Anspruch mehr auf Sendeminuten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben. Religiöse Symbole sollten aus staatlichen Einrichtungen verschwinden und die staatlichen Zahlungen an die Kirchen abgelöst werden. Das stand in einem Antrag, der am vergangenen Samstag auf dem Landesparteitag der schleswig-holsteinischen FDP in Neumünster beraten wurde und vor allem aus dem Kreis der Jungen Liberalen kam.

Dieser Antrag hatte schon vor dem Parteitag für Wirbel gesorgt. Die Lübecker Nachrichten hatten prominent über den Vorstoß berichtet und nannten ihn einem Konfrontationskurs der Liberalen zu den Kirchen. Eine Richtung, für die es im Moment in der Landespartei keine Mehrheit gibt: Nach rund 90 Minuten Debatte wurde der Gegenantrag der Parteiführung in einer geheimen Abstimmung mit 66 zu 128 Stimmen angenommen.

In diesem Gegenantrag forderten der Vorsitzende der Kieler FDP-Landtagsfraktion Wolfgang Kubicki, der sonst Provokationen durchaus nicht abgeneigt ist, und der Landesvorsitzende Heiner Garg, dass die Position der Landespartei zu Kirche und Staat nicht verändert werden solle.

Nur eine von vier Positionen aus dem abgelehnten Antrag wurde nun aufgenommen:Und zwar die auf Ablösung der staatlichen Zahlungen an die Kirchen, die in den Staatskirchenverträgen garantiert sind. Mit diesen Zahlungen sollen Enteignungen der Kirchen im 18. und 19. Jahrhundert durch den Staat entschädigt werden.

Kubicki erinnerte die Delegierten auf dem Parteitag an die zwei anstehenden Wahlen im nächsten Jahr, die Kommunalwahl in Schleswig-Holstein und die Bundestagswahl. „Ich befürchte, dass die FDP mit diesem Antrag mehr Stimmen verliert als gewinnt“, sagte Kubicki. Außerdem glaube er, dass die Menschen andere Probleme haben als die Trennung von Kirche und Staat. Denen solle sich die Partei lieber zuwenden.

Die Befürworter des Positionswechsels begründeten ihren Antrag damit, dass damit die Gleichstellung der Religionsgemeinschaften erreicht werden könne. Und dieser Antrag sei eine moderne Fortführung einer Position der Bundes-FPD, die bereits 1974 beschlossen worden sei. Doch diese Argumentation überzeugte viele der älteren Redner nicht.

Sie argumentierten, dass die Trennung von Staat und Kirche schon ausreichend umgesetzt worden sei und man mit dem Antrag die Gefühle religiöser Menschen verletze. Einige Delegierte berichteten auch davon, dass Mitglieder in ihren kleinen Ortsvereinen mit dem Austritt gedroht hätten, falls die FDP diese Position einnehme.

Kritik gab es auch auf dem CDU-Parteitag. Der Landesvorsitzende der Christdemokraten, Jost de Jager, sagte: „Solange solche Anträge aus dem bürgerlichen Lager kommen, müssen wir uns nicht wundern, wenn ein Grüner Vorsitzender der Synode ist.“ Die evangelische Nordkirche hatte auf ihrer konstituierender Sitzung den grünen Landtagsabgeordneten Andreas Tietze zu ihrem Präses gewählt.

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8 Kommentare

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  • I
    iwern

    es bestht ja Hoffnung, dass diese hauchdünne Mehrheit, bei der nächsten Abstimmung umgedreht wird. Was Christen überhaupt noch in der FDP verloren haben?

     

    Das sich das Argument mit den religiösen Gefühlen überhaupt etabliert zu haben scheint, und jegliche rationale Argumentation- sollte in der Politik so sein- totgeschlagen wird, ist ein Skandal. Wenn wir uns vor zukünfigen Teaparty- Bewegungen schützen wollen sollten wir die gefühlsargumente schleunigst anfangen zurückzuweisen. Und die CDU- sollte ihre Ideologische Verbindung zwischen Demokratie, Aufklärung und dem christl.-jüd.-Abendland aus allen Parteiveröffentlichungen streichen.

  • W
    wauz

    Immer feste druff?

     

    Trennung von Staat und Kirche klingt ja ganz nett, aber was steckt hinter dem Schlagwort? In einem Staat, in dem die Trennung nicht da ist, braucht es keine Konkordate. England hat tatsächlich eine Staatskirche. Jedes in England geborene Kind, das nicht ausdrücklich als einer anerkannten anderen Religionsgemeinschaft zugehörig bezeichnet wird, ist automatisch Mitglied der Church of England. (Atheisten und Agnostiker gehören KEINER der anerkannten Religionsgemeinschaften an...)

    Die Vereinigten Staaten von Amerika haben eine vollkommene Trennung von Staat und Kirche, aber trotzdem ist in vielen Bundesstaaten das (christliche) Morgengebet üblich oder verpflichtend und jede Menge Symbole werden in offiziellem Zusammenhang gebraucht.

    Es steht in der BRD jedem Menschen frei, sich der Kirchensteuerpflicht durch Kirchenaustritt zu entziehen. Trotzdem zahlen noch sehr viele Kirchensteuer, die zumindest Kirchen nie betreten. Das "Problem" Kirchensteuer könnte sich also durch eine Abstimmung mit den Füßen erledigen. Trotzdem regen sich am meisten die über die Kirchensteuer auf, die schon lange keine mehr bezahlen. Haben die eigentlich nichts besseres zu tun?

    Die Forderung, die Kirchen vom Rundfunk (der zumindest in der Theorie in Deutschland nicht staatlich ist) auszuschließen, ist verräterisch. Hier geht es darum, einen unbequemen Einfluss loszuwerden. Nutzt z.B. die FDP nicht auch "Rundfunkminuten"? Mit welchem Recht? Haben die Parteien ein Monopol auf gesellschaftlichen Einfluss?

    Klar, der Staat kann Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser auch ganz gut selbst betreiben. War es aber nicht immer die FDP, die die Privatisierung solcher Einrichtungen gefördert hat? Sind denn beispielsweise die Rhönkliniken soviel sozialere Arbeitgeber als Caritas und Diakonie?

    Es geht hier nicht um den Staat. Es geht gewissen Leuten darum, gegen den christlichen Glauben vorzugehen. Das kann man auch offen bekennen.

    Jesus nervt. Der Christus ist ein Stein des Anstoßes.

    Darum geht es.

  • PD
    Peter Dahlhaus

    Zwar könnte man darauf verweisen, dass erst angesichts drohender Bedeutungslosigkeit der FDP die Frage nach ihrer Existenzberechtigung auch jenseits von Steuergeschenken gestellt wird. Aber viel wichtiger und erschreckend ist: Die jungen Liberalen sind die einzigen, aus deren Richtung die Forderung nach einer konsequenten Trennung von Kirche derzeit gestellt wird. Weder B90/Grüne noch Die Linke stellen antagonistische Privilegien wie Religionsunterricht in öffentlichen Schulen oder die Kirchensteuer infrage. Mit KGE an der Spitze der Grünen besteht auch keine Hoffnung, dass sich daran etwas ändert. Die windelweiche Position der Grünen im Bundestag dazu irrt aber: Nicht die Kirchen müssen vor dem "hinausdefinieren" geschützt, sondern die Interessen all der Nichtchristen unserer pluralen Gesellschaft müssen ernsthaft verwirklicht werden. Mit welchem Recht verteidigen denn die Kirchen ihre Sonderstellung, während schon über ein Drittel der Bevölkerung keiner Kirche angehört? Das kann man nicht einfach als jungliberale Provokation abtun!

  • R
    Ralf

    Die Durchsetzung einer tatsächlichen Trennung von Staat und Kirche ist Voraussetzung für echte Demokratie. Das ist der wichtigste Grundsatz, um einen gefährlichen undemokratischen religiösen Staat im Staat, der langsam die Gewalten und Medien übernimmt zu vermeiden. Die Zustände in Deutschland sind diesbezüglich katastrophal, die CDU verstößt immer wieder gegen die Verfassung und wird immer dreister. Eine klare Trennung ist nötiger denn je. Auch wenn ich die FDP nicht leiden kann und für überflüssig halte, gibt es noch andere Parteien, die für die Verfassung eintreten wie z.B. Piraten und Linke.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Die kleine,feine Möchte Gern Partei FDP ,hier die jungen Liberalen in Schleswig-Holstein zeigen dass sie sich permament dafür einsetzen was die Trennung von Staat und Kirche anbetrifft.Bei den Liberalen hat die Kirche,kirchen einen schweren

    Standpunkt,was das kirchfeindliche Papier der FDP betrifft.

    In vielen Bereiche arbeiten staat und die Kirche,Kirchen eng zusamen.Dies ist außerordentlich zu begrüßnen.

    Deutschland hat nicht die Staatskirche,was ebenfalls außerordentlich zu begrüßen ist.

    In vielen Bereichen nimmt die Kirche,Kirchen eine besondere Rolle ein,was den Arbeitgeber Kirche anbetrifft.Hier müssen Zöpfe bei der Kirche abgeschnitten werden,auch in Hinblick auf das Streikrecht.

    Ebenfalls sollte endlich das Kirchenbeamtenrecht fallen,dass seine Zeit hatte,aber nicht mehr heute vermittelbar ist was die Gläubigen betrifft.

    Von einer Volkskirche kann nicht mehr die Rede sein,im Bezug auf Distanzierung,Säkularisierung und Kirchenaustrittsbewegung.Die Volkskirche hat sich überlebt,wen es sie überhaupt jemalsgegeben hat,im Land des Protestantismus,der Reformation.

    Da auch Kirchenglieder Wähler sind,sollten die jungen Liberalen sich überlegen,ob ihr Vorstoß und ihre Aussagen sie nicht weiter in eine gewisse Ecke drängen.

    Richtig und gut ist dass in Deutschland der Staat unabhängig ist von der Kirche und umgekehrt die Kirche weitesgehend unabhängig ist was Vater Staat anbetrifft.Dies sollte auch in Zukunft beibehalten werden.

  • TL
    Tim Leuther

    Die Grünen "Schöpfungs"bewahrer mausern sich immer mehr zu einer Kirchenpartei.

  • D
    dieter

    Die christlichen Kirchen sind in Deutschland fest mit dem Staat verbandelt. Von Trennung von Staat und Kirche kann nicht die Rede sein. Es sind ja nicht nur die Kirchensteuer und die Konkordatsverträge, in Deutschland sind die meisten Kindergärten christlich geführt, was Dank speziellem kirchlichem Arbeitrecht bedeutet, dass Kinder in Deutschland nur von ChristInnen erzogen werden dürfen!

    Unser Präsi war Pastor, unsere Kanzlerin ist Pastorentochter...

    Wenn die Türkei nur halb so islamisch wäre, wie wir hier christlich gesteuert werden, was gäbe es für einen Aufschrei.

    Wer über Islamisten schimpfen will, muss erstmal vor der eigenen Haustür kehren!

    Das Christentum ist mindestens genauso gefährlich wie der Islam.

    Zur Zeit sind wesentlich mehr christliche Soldaten mit Töten beschäftigt, als islamische.

  • S
    svadesha

    Ein Schritt vor, vier Schritte zurück. Die Kündigung der Konkordatsverträge hat Schleswig-Holstein bitter nötig, um damit die kommenden HSH-Haushaltslöcher zu stopfen.

    Allerdings verlören eine Menge alter Frauen ihre innerkirchlichen Spielwiesen und der Pastor müsste seine Gewänder, Kerzen und Reliquien wieder selber bezahlen. Das ist finanziell durchaus möglich, denn die ev. Kirche hat ihre seit 200 Jahren angestaute Finanzmasse (steuerfrei) seit Jahrzehnten in einer agilen Bank, der ev. Darlehnsgenossenschaft, gepoolt. Kapital ist jederzeit genug vorhanden, wie den Geschäftsberichten der EDG zu entnehmen ist. Das Gesamtvermögen allein der ev. Kirche in Deutschland wird mit mehr als 500 Mrd. € qualifiziert geschätzt.

    Religiöse Gefühle werden durch die Aberkennung des Steuerprivilegs nicht verletzt, eher werden andere Religionsgemeinschaften, die diesen Vorzug nicht geniessen, dadurch diskriminiert.

    Zu einem laizistisch verfassten Staat wie der Bundesrepublik gehört selbstverständlich auch, dass öffentliche Räume keine Religionsabzeichen von nur einer Religionsgemeinschaft tragen dürfen. Entweder gleiches Recht für alle - oder besser gar nicht.

    Alles in allem hat der Antrag schon seine Berechtigung und drückt ein langanhaltendes Unbehagen eines Teils der Bevölkerung aus. Insbesondere jenes Teils, der nicht einzusehen vermag, wie sich die Staat und Kirche trennende Verfassung mit der finanziellen Konservierung uralter evangelischer Kirchenzöpfe überhaupt verträgt, nämlich gar nicht.

     

    Mit einer Annahme des Antrags wäre ein gewisser Druck auf die Regierungspartzeien entstanden, sich zu den Forderungen zu verhalten. Man konnte Bundeswehrstandorte verkleinern, man konnte sogar eine Marinefliegereinheit verlegen (uijuijui), warum kann Dösbaddel nicht endlich jahrhundertealte Kirchenprivilegien abschaffen ?