FDP-Befragung zu Euro-Rettungskurs: Urdemokratisch basisdemokratisch
Die Unterschriften reichen aus, die Mitgliederbefragung wird also kommen. Die FDP-Parteibasis wird somit über die weiteren Euro-Rettungspläne abstimmen.
![](https://taz.de/picture/247112/14/fdp_basis.jpg)
BERLIN rtr | Einem Mitgliederentscheid der FDP über die milliardenschweren Euro-Rettungsmaßnahmen steht nichts mehr im Wege. "Wir haben 3650 Unterschriften zusammen", sagte Initiator Frank Schäffler am Dienstagabend in Berlin. Dies sind rund 400 Unterschriften mehr als zur Einleitung der Befragung notwendig sind. Damit habe erstmals in der Parteigeschichte die Basis einen solchen Entscheid erzwungen, zeigte sich der Finanzexperte zufrieden. Geplant sei, die Unterschriftenliste am Montag vor der Präsidiumssitzung an Generalsekretär Christian Lindner zu übergeben.
Schäffler geht nach eigenen Worten davon aus, dass die Abstimmung im Dezember stattfinden wird. Im Oktober und November hätten die Mitglieder dann Zeit, über den Antrag seiner Gruppe und den angekündigten Alternativantrag der Parteiführung zu diskutieren.
Die Initiatoren um Schäffler wenden sich gegen "unbefristete Rettungsmaßnahmen, bei denen Deutschland für Schulden anderer Staaten haftet". Dies richtet sich insbesondere gegen den geplanten dauerhaften Euro-Rettungsmechanismus ESM, über den der Bundestag im Januar abstimmen soll.
Die FDP-Satzung sieht vor, dass fünf Prozent und damit 3236 Mitglieder unterschreiben müssen, um die Befragung durchzusetzen. Dass Schäffler die erforderlichen Unterschriften zustandebringen würde, war in der Parteiführung bereits erwartet worden. Die Spitze der Liberalen hat zugesagt, das Verfahren sauber durchzuführen und konstruktiv zu begleiten.
Parteispitze ist trotzdem optimistisch
FDP-Chef Philipp Rösler und Generalsekretär Lindner hatten sich zudem zuversichtlich gezeigt, dass in einem Alternativantrag am Ende der Kurs der Parteispitze bestätigt werden wird. Dieser stützt die Euro-Rettungsschirme, knüpft die Auszahlung von Hilfsgeldern aber an strenge Bedingungen.
Die stellvertretende Parteivorsitzende Cornelia Pieper forderte die Mitglieder auf, gegen die Initiative zu stimmen. Zwar sei der Mitgliederentscheid ein "urdemokratischer Vorgang", sagte die Staatsministerin im Auswärtigen Amt der Mitteldeutschen Zeitung. Die FDP dürfe aber "als Europapartei mit großer Tradition auf keinen Fall populistischen Stimmungen nachjagen". Der FDP-Finanzexperte Volker Wissing zeigte sich gelassen. "Ich halte das für unproblematisch", sagte er dem Sender Phoenix. Fest stehe, dass es für eine Regierungspartei nicht ausreiche zu sagen, wogegen man sei. "Man muss auch die Frage beantworten, wie man in der gegenwärtigen Krise den Euro stabilisiert."
Schäffler hat stets betont, es gehe ihm bei seiner Aktion um eine "Graswurzelbewegung". Beim Parteitag im Mai hatte er für seine Haltung in geheimer Abstimmung ein Drittel der Delegierten hinter sich vereinen können. Inzwischen macht er nach eigenen Worten einen klaren Stimmungsumschwung in der Partei aus, die etwa durch die zugespitzte Lage in Griechenland bedingt sei. Einige Befürworter des Mitgliederentscheids, etwa aus dem Landesverband Schleswig-Holstein, haben allerdings betont, dass sie den Entscheid zwar unterstützen, die Positionen Schäfflers aber nicht teilen.
Ur-Abstimmung beim Lauschangriff
Für die Parteispitze und die Regierung kommt die Aktion der Kritiker einerseits zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, da ohnehin viel Unruhe in der Partei, der Regierung und auf den Finanzmärkten herrscht. Auf der anderen Seite könnte die FDP-Führung gestärkt aus einer Befragung hervorgehen, sollte Schäfflers Position keine Mehrheit finden.
Die Bundestagsabgeordneten wären an das Votum der Mitglieder ohnehin nicht gebunden. Allerdings kämen sie bei der für Dezember geplanten Entscheidung über den neuen dauerhaften Rettungsmechanismus ESM in eine politisch heikle Situation, wenn sie ein Nein der Mitglieder ignorieren wollten.
Schon einmal hat die FDP-Basis eine Position der Parteiführung zum Wanken gebracht. 1995 etwa gab es eine Urabstimmung, bei der sich eine Mehrheit für den "Großen Lauschangriff" aussprach. Als Reaktion darauf trat Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zurück.
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