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Archiv-Artikel

FALSCHER KRIEGSGRUND INTERESSIERT IN DEN USA HEUTE KAUM JEMANDEN Lüge mit paradoxen Folgen

Hunderte Male vor und nach dem Irakkrieg wurde der Vorwurf einer Bin-Laden-Saddam-Hussein-Connection wiederholt. Anfang der Woche zog US-Vizepräsident Dick Cheney ihn erneut aus der Schublade. Doch trotz aller Beschwörungen: Wahrer wird er dadurch nicht.

Nun ist es auch noch amtlich. Eine unabhängige US-Untersuchungskommission hat festgestellt, dass al-Qaida und irakische Verbindungsleute in den frühen 90ern ein paar Mal auf Tuchfühlung gegangen waren; damals hielt sich Bin Laden im Sudan auf. Der Bericht schlussfolgert aber eindeutig: Diese Kontakte haben zu keiner Zusammenarbeit geführt. Das Untersuchungsergebnis bestätigte damit, was aus US-Geheimdienstkreisen schon längst immer wieder zu hören war. Die Kriegsplanungen gegen den Irak waren älter als der 11. September. Sie begannen unmittelbar nach George W. Bushs Amtsübernahme und mit dem Einzug der Neokonservativen à la Donald Rumsfeld und Paul Wolfowitz ins Pentagon.

Dennoch tragen die ständigen Wiederholungen ihre Früchte. Laut Meinungsumfragen glaubten im April immer noch 57 Prozent aller Amerikaner, dass Saddam dem Terrornetzwerk al-Qaida hilfreich unter die Arme gegriffen hatte, und 20 Prozent halten weiter stur daran fest, dass der Irak mit dem 11. September in Verbindung steht. Das sind wesentlich weniger als zu Beginn des Krieges, aber immer noch erstaunliche viele.

Dass einer der Kriegsgründe nun ganz offiziell hinfällig geworden ist, wird später nur noch Geschichtsschreiber und Anwälte des internationalen Rechts interessieren. Viel Einfluss auf den aktuellen US-Wahlkampf dürfte die Enthüllung der Lüge auch kaum haben. In Sachen Irak ist man in den USA derzeit fast ausschließlich mit der chaotischen und tödlichen Gegenwart beschäftigt.

Was bleibt, ist die Ironie der Geschichte. Gab es zu Zeiten Saddams erwiesenermaßen keine Verbindung zwischen dem Irak und al-Qaida, hat sich das mittlerweile eindeutig geändert. Das Land zwischen Euphrat und Tigris hat sich inzwischen zu einem wahren Magneten und Tummelplatz für alle Arten von rachsüchtigen heiligen Kriegern entwickelt. KARIM EL-GAWHARY