Exsenator und Immobilien-Affäre: Braun-Urkunde war Schrott
Erstmals konstatiert ein Gericht Verstöße der Kanzlei von Michael Braun. Der Ex-Senator legt Beschwerde gegen den Beschluss ein - findet ihn aber politisch richtig.
Jetzt wird’s juristisch handfest: Erstmals hat ein Gericht einen Notarvertrag aus der Kanzlei von Ex-Senator Michael Braun (CDU) aufgehoben. Eine Zivilkammer des Landgerichts befand, dass bei der Beurkundung mehrere „rechtliche Pflichten verletzt“ wurden. Der Beschluss vom 2. März liegt seit Mittwoch vor.
Braun war im Dezember als Justizsenator zurückgetreten, nachdem Anwälte ihm vorgeworfen hatten, Schrottimmobilien-Geschäfte beurkundet zu haben. Braun hatte das bestritten. Dass das nun schwieriger wird, hat sich der Christdemokratselbst eingebrockt: Braun hatte im Juli 2011 von einer Berliner Tagesmutter sein Notarhonorar von 599,05 Euro eingefordert – obwohl die 49-Jährige erfolgreich den Wohnungskauf wegen arglistiger Täuschung anfechten konnte. Den Vertrag hatte damals Brauns Kanzleikollege Uwe Lehmann-Brauns, ebenfalls CDU-Abgeordneter, beglaubigt.
Das Landgericht weist Brauns Forderung nun klar zurück. Es könne „nicht festgestellt werden, dass der Notar seiner Verpflichtung nachgekommen ist“. Der Beschluss listet mehrere Verfehlungen auf. Die Beinah-Käuferin habe den Vertrag nicht – wie vorgeschrieben – zwei Wochen vor Beurkundung erhalten. Auch sei sie nicht belehrt worden, dass der Antrag vorerst nicht mehr anfechtbar sein wird. Das habe die Frau „in erhebliche Gefahren gebracht“, so das Gericht.
Beurkundet wurde am Ende auch nur ein Kaufangebot. Warum der Vertrag in „Angebot“ und „Annahme“ aufgesplittet wurde, sei nicht begründet worden, heißt es im Beschluss. Die Aufspaltung sei nur „ausnahmsweise gerechtfertigt“, Brauns Kanzlei habe dies aber bei jeder zehnten Urkunde getan – „systematisch und damit unzulässig“.
Die Tagesmutter hatte angegeben, erst am Tag des Notar-Termins überhaupt von der Wohnung erfahren zu haben. Diese habe sich später als weit überteuert herausgestellt. Braun hielt dagegen: Weder habe die Kanzlei den Wert der Wohnung gekannt noch sei sie dazu verpflichtet. Auch habe man sich versichern lassen, dass die Zwei-Wochen-Frist eingehalten wurde. Das Gericht sah dies als „nicht hinreichend“. Braun muss die Verfahrenskosten tragen.
Der CDU-Mann, heute einfacher Abgeordneter, legte Beschwerde gegen den Beschluss ein. Dieser sei „rechtlich falsch“, sagte Braun der taz. „Politisch finde ich die Maßstäbe richtig im Sinne des Verbraucherschutzes.“ Nur seien diese bisher nicht so weitgehend festgeschrieben. „Die Kammer kann nun nicht im Nachhinein neue Anforderungen stellen.“ Die Grünen forderten, dass die Notaraufsicht am Landgericht dienstrechtliche Konsequenzen für Braun prüfen müsse. Mit dem Gerichtsbeschluss breche Brauns „Verteidigungslinie endgültig zusammen“, so der Grünen-Rechtsexperte Dirk Behrendt.
Landgerichtssprecher Ulrich Wimmer sagte, die Notaraufsicht werde sich den Beschluss „genau angucken“. Seit der Schrottimmobilien-Debatte seien 72 Beschwerden gegen 19 Berliner Notare, darunter auch Braun, eingegangen.
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