■ Exportstopp für britisches Beef schützt nur Neugeborene: Politik des Nachtrabs
Eine richtige Maßnahme zur falschen Zeit: Der von der Europäischen Union beschlossene Exportstopp für britisches Rindfleisch kommt um Jahre zu spät. Die Verantwortlichen in der EU tun ja gerade so, als ob die Nachricht einer möglichen Übertragung des Rinderwahnsinns auf den Menschen vorige Woche aus heiterem Himmel über sie hereingebrochen wäre. Dabei gab es seit Anfang der neunziger Jahre nicht nur genug warnende Stimmen, sondern auch Indizien dafür, vor allem als mehrere junge Menschen an der bis dahin nur im Alter auftretenden Creutzfeldt- Jakob-Krankheit starben. Diagnose: Alle hatten kräftig einheimisches Rindfleisch konsumiert.
Doch der Streit um den Rinderwahnsinn blieb ein politischer Spielball. Noch 1994 zog Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer seine Androhung eines Rindfleisch-Importverbots zurück, weil die Briten ihr Veto gegen Jacques Santer als neuen EU-Kommissionspräsidenten zurückgenommen hatten.
Zwei Jahre zuvor hatte die Tierkrankheit in Großbritannien ihren Höhepunkt erreicht: 900 Tiere mußten jede Woche getötet werden. Dreimal so viele Rinder landeten nach amtlichen Schätzungen jedoch in Europas Kochtöpfen.
Noch weiß man über die Ansteckungsgefahr nicht genau Bescheid. Wegen der langen Inkubationszeit werden erst die nächsten Jahre darüber Aufschluß geben. Sollten sich die schlimmsten Befürchtungen bestätigen, ist es für die meisten zu spät. Ein Importstopp schützt – wenn er rigoros kontrolliert wird – nur diejenigen, die noch nie in ihrem Leben Rindfleisch gegessen haben, also vor allem Neugeborene. Immerhin.
Aber wer schützt eigentlich die britischen Verbraucher? Auf ihre eigene Regierung können sie sich jedenfalls nicht verlassen. Von ihr sind sie nach Strich und Faden belogen worden. Noch bis zur letzten Woche tönten die Politiker, man habe alles Menschenmögliche unternommen, um eine Gefährdung der Beefeater auszuschließen. Am vergangenen Donnerstag ordnete Landwirtschaftsminister Stephen Dorrell dann verschärfte Maßnahmen an. Das ist ein Eingeständnis, daß man in der Vergangenheit fahrlässig mit dem Problem umgegangen ist.
Daß sich einzelne Kabinettsmitglieder jetzt mit einem Stück Rinderbraten im Mund fotografieren lassen, deutet auf nichts Gutes für die Zukunft hin. Ralf Sotscheck, Dublin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen