Experten für größeren Rettungsschirm: Wird's denn reichen?
Dass der Bundestag der Ausweitung des Rettungsschirms zustimmen sollte, ist bei der Experten-Anhörung unstrittig. Fraglich ist eher, ob es langt - und was danach kommt.
BERLIN taz | Die Aufgabe war eigentlich klar: Ende des Monats entscheidet der Bundestag über die geplante Erhöhung des Eurorettungsfonds EFSF und eine Ausweitung seiner Instrumente. Am Montag befragte der Haushaltsausschuss eine Reihe renommierter Experten zu dem entsprechenden Gesetz, zu dem die Mehrheit der Regierungskoalition noch nicht endgültig gesichert ist. Doch die Euroskeptiker aus Union und FDP bekamen keine Unterstützung.
Trotz unterschiedlicher Einschätzungen im Detail befürworteten die von allen Fraktionen benannten Sachverständigen - darunter neben mehreren Wissenschaftlern auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann und EFSF-Geschäftsführer Klaus Regling - das geplante Gesetz. Weidmann warnte zwar, dass die "Anreize zu einer soliden Haushaltspolitik" durch die neuen Kreditgarantien "teilweise geschwächt" würden, ohne dass der Einfluss der EU auf die nationalen Haushalte spürbar gestärkt worden sei; die grundsätzliche Zielrichtung der Reform hielt auch Weidmann aber für richtig.
Große Differenzen gab es eher bei einer Frage, die derzeit noch gar nicht auf der Agenda steht: Reichen die geplanten Maßnahmen - und wie geht es weiter, wenn nicht? Die aktuellen Pläne sehen vor, den EFSF auf 440 Milliarden Euro auszuweiten und das Geld künftig außer für Kredite an notleidende Eurostaaten auch zum direkten Aufkauf von Staatsanleihen zu nutzen.
"Volumen das größte Problem"
Für den Ökonomen Henrik Enderlein von der Hertie School of Governance in Berlin gibt es keinen Zweifel, dass das Volumen des Fonds noch immer zu gering ist. Das Gesetz lasse sich auf den Nenner bringen "zu wenig und zu spät". Um gleichzeitig Anleihen aufzukaufen und mittelfristig die Anleihepreise Italiens und Spaniens zu stabilisieren, müsse man die "Summe deutlich erhöhen".
Daniela Schwarzer von der Stiftung Wissenschaft und Politik stimmt zu: "Das Volumen ist das größte Problem." Auch der Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise sagte, die geplante Summe reiche nur für die Absicherung der momentanen Krisenstaaten Griechenland, Irland und Portugal. EFSF-Geschäftsführer Klaus Regling räumte ein: "Die Feuerkraft des Fonds reicht nicht aus, um dauerhaft am Sekundärmarkt zu intervenieren."
Keine Einigkeit gab es hingegen bei der Frage, was aus der unzureichenden Ausstattung des Fonds folgt. Schwarzer und Hickel sprachen sich dafür aus, den EFSF mit einer Banklizenz auszustatten, sodass er sich direkt bei der Europäischen Zentralbank finanzieren könnte; auch Enderlein hielt dies für denkbar. Alle drei Wissenschaftler plädierten zudem für die Einführung von Eurobonds. Der Jurist Christian Calliess erklärte, dass diese auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Eurorettung unter bestimmten, eng gefassten Bedingungen verfassungsgemäß seien. EFSF-Chef Regmann und Bundesbank-Präsident Weidmann lehnten diese Vorschläge hingegen entschieden ab. Weidmann forderte, stattdessen auf den Kauf von Staatsanleihen zu verzichten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften