Ex-Wirtschaftsminister provoziert erneut SPD: Clement wirbt für Köhler
Ex-SPD-Vize Clement brüskiert seine Partei abermals öffentlich: Er sprach sich für die Wiederwahl von Präsident Köhler aus - und warnte vor der erwarteten Nominierung Gesine Schwans.
BERLIN dpa/rtr/ap Der frühere SPD-Vize Wolfgang Clement hat vor einer Nominierung von Gesine Schwan für das Bundespräsidenten-Amt gewarnt und sich damit erneut gegen breite Strömungen seiner Partei gestellt. Erst im vergangenen Monat war Clement wegen provokativer Äußerungen nur knapp einem Parteiausschluss entgangen. Kurz vor der Entscheidung des SPD-Vorstands am Montag über eine eigene Präsidentschafts-Kandidatin kritisierte Clement in der "Welt am Sonntag" den SPD-Plan, die Universitätspräsidentin und Sozialdemokratin Schwan für die Wahl im Mai 2009 aufzustellen.
Die SPD würde damit ein Signal für ein rot-rot-grünes Bündnis auf Bundesebene setzen, schrieb der ehemalige Bundeswirtschaftsminister der eigenen Partei ins Stammbuch. Denn nur mit den Stimmen von Grünen und Linken hätte Schwan Aussichten auf einen Wahlerfolg in der Bundesversammlung. "Für die SPD wäre das der Beginn einer Wende - gemeinsam mit PDS-Rot, weg aus der politischen Mitte."
Clement befürwortete eine zweite Amtszeit von Bundespräsident Horst Köhler und lobte dessen "untadelige überparteiliche Amtsführung und sein unüberhörbares Engagement für eine Fortsetzung der Reformpolitik". Das spreche für ihn und mache ihn außerordentlich beliebt. Köhler, der seine Bereitschaft für eine zweite Amtszeit am Donnerstag bekanntgegeben hatte, wird von Union und FDP unterstützt.
Der frühere stellvertretende SPD-Vorsitzende hatte vor der hessischen Landtagswahl im Januar indirekt vor einer Wahl der SPD- Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti gewarnt. Clement kritisierte ihre Ankündigung, statt auf Atom und Kohle auf alternative Energien zu setzen. Nach der Liechtensteiner Steueraffäre warf Clement im Februar führenden SPD-Politikern pauschale Managerschelte und "ärgerliches Maulheldentum" vor. Ein Parteiordnungsverfahren gegen ihn endete im April vorläufig mit einer Rüge. Der SPD-Ortsverein Bochum-Hamme hat jedoch die Schiedskommission beim Landesverband angerufen, um Clements Ausschluss noch durchzusetzen.
Linken-Chef Oskar Lafontaine zeigte indes Sympathien für eine Unterstützung der Hochschulpräsidentin Gesine Schwan bei der Bundespräsidentenwahl im nächsten Jahr. Schwan äußere eine ganze Reihe von Dingen, die aufhorchen ließen und intellektuell sehr anspruchsvoll seien, sagte er am Sonntag am Rande des Linken-Parteitags in Cottbus Reuters TV. Es habe schon einmal die Situation gegeben, dass Schwan von der damaligen PDS unterstützt worden sei, erinnerte Lafontaine an die Wahl 2004.
Vergangene Woche hatte bereits der Vizechef der Linksfraktion, Bodo Ramelow, gesagt, er könne sich eine Wahl Schwans vorstellen. Auch die ostdeutschen Fraktionsmitglieder neigten vermutlich zu dieser Kandidatin.
Lafontaine sagte, er schätze Amtsinhaber Horst Köhler persönlich sehr, doch unterstütze dieser die von der Linken bekämpfte Agenda 2010. "Und da wir uns an politischen Inhalten orientieren, können wir ihm die Unterstützung nicht geben."
Der Linken-Chef bekräftigte, seine Partei werde sich zunächst nicht festlegen. "Wir werden sehen, was nach der Bayern-Wahl die Zusammensetzung der Bundesversammlung ist, und wir werden sehen, ob man auf uns zukommt." Bei knappen Mehrheitsverhältnissen nach der Bayern-Wahl sei nicht nur die Frage, wen die Linke unterstütze. "Sondern dann gibt es auch die Frage, wen die NPD unterstützt." Diese habe schon einmal zusammen mit der CDU den sozialdemokratischen Bundespräsidenten Gustav Heinemann verhindern sollen.
Die für Montag erwartete Nominierung Schwans als SPD-Gegenkandidatin zu Köhler hatte am Wochenende schweren Streit in der großen Koalition ausgelöst. Die CDU riet der SPD, sich nicht zur "Marionette" von Linkspartei und NPD zu machen. Einzelne Unionspolitiker stellten den Fortbestand der Großen Koalition in Frage. Dagegen plädierten einen Tag vor der Entscheidung der Parteispitze weitere SPD-Landesverbände für die Nominierung von Gesine Schwan als Präsidentschaftskandidatin.
SPD-Chef Kurt Beck beharrte auf dem verfassungsmäßigen Recht auf einen eigenen Kandidaten. Dies sei kein Grund für eine Koalitionskrise. In der "Bild"-Zeitung plädierten Brandenburgs SPD-Chef Matthias Platzeck sowie Bremens SPD-Landesgeschäftsführer Roland Pahl für eine Nominierung Schwans. Sie sei eine über Parteigrenzen hinweg hoch geschätzte Persönlichkeit, sagte Platzeck.
Während Beck sein Votum am Montag offen ließ, bekannte sich seine Stellvertreterin Andrea Nahles zur Nominierung Schwans. Energisch trat sie dem vor allem in der Union erhobenen Vorwurf entgegen, weil Schwan nur mit den Stimmen der Linken eine Mehrheit erreichen könne, rücke damit eine rot-rote Koalition im Bund näher. Eine Kandidatur habe keine Signalwirkung für die Bundestagswahl, sagte Nahles im Deutschlandradio Kultur. "Die Linke habe kein Programm, stehe "nicht mit beiden Beinen in der EU" und sei daher "nicht regierungsfähig".
Unionsfraktionschef Volker Kauder warf Beck im "Tagesspiegel am Sonntag" mit Blick auf dessen Absage an eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei auf Bundesebene erneut Wortbruch vor. Für die Koalition wäre dies eine neue Belastung. "Ein solches Verhalten wäre im beachtlichen Maße unfreundlich", sagte Kauder. Er forderte die Grünen auf, sich in der Kandidatenfrage nicht zum Anhängsel der SPD zu machen.
Der Sprecher aller CDU-Landesgruppen in der Fraktion, Georg Brunnhuber sagte der "Bild"-Zeitung: Wenn die SPD einen eigenen Kandidaten nominiert, überreizt sie die Stimmungslage in der Koalition. Ich glaube nicht mehr, dass die Koalition bis Herbst 2009 hält". CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer, sagte der "Neuen Passauer Presse": ein Gegenkandidat zu Köhler sei der erste Schritt zu einem rot-roten Bündnis im Bund. "Damit wird Beck als Wortbrecher zum Serientäter." SPD-Generalsekretär Hubertus Heil riet der CSU in der "Welt am Sonntag", nicht aus Panik wegen der Landtagswahl in Bayern die Koalition in Berlin in Frage zu stellen.
Schwan geriet durch ein Beratungsangebot für einen Pharmakonzern in die Kritik. Die Präsidentin der Europa-Universität Viadrina aus Frankfurt (Oder) bestätigte am Samstag in Berlin einen Bericht der "Wirtschaftswoche", wonach sie auf Bitten des Medikamentenherstellers Ratiopharm Vorträge hielt und dort auch um Spenden bat. Bei den Kontakten sei es aber nur generell um die Befolgung "klarer ethischer Regeln im Pharmasektor" gegangen. Insgesamt habe sie ein Honorar von 20 000 Euro erhalten.
Die CSU forderte die SPD auf, mit der Aufstellung Schwans zu warten, "bis alle Vorwürfe im Zusammenhang mit ihrer persönlichen Integrität restlos aufgeklärt sind". "Auf das höchste Staatsamt darf kein Schatten fallen" sagte Generalsekretärin Christine Haderthauer der "Bild am Sonntag". Die Vorwürfe gründen auf einem Brief aus dem Juni 2007, in dem Schwan dem Ulmer Pharmakonzern Ratiopharm Unterstützung in Aussicht stellte. Das Unternehmen ging darauf nicht ein.
In dem Brief heißt es: "Wir könnten Sie dabei unterstützen, saubere Mitstreiter zu finden und ein System der good governance und eines öffentlich transparenten "Code of Conduct" zu stärken, das Ihnen eine uneingeschränkte Glaubwürdigkeit schafft, die Sie jetzt nicht haben." Dazu könnte "entscheidend beitragen", dass Ratiopharm eine Viadrina-nahe Einrichtung "mit einem nennenswerten Betrag" unterstützt. Mit "good governance" ist eine ethisch saubere Unternehmenskultur gemeint. Ratiopharm ist weltweit einer der größten Hersteller von Generika-Medikamenten, für die kein Patentschutz mehr besteht.
Schwan bestätigte, dass sie auf Bitten des Firmenerben Philipp Merckle zwei Vorträge hielt. Das Honorar habe sie aber nicht selbst behalten, sondern an ihre Universität abgeführt. In die Gespräche mit Ratiopharm war auch Schwans Ehemann eingebunden, der Gründer der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International, Peter Eigen. Schwan betonte: "Das Angebot an ratiopharm lautete nie, dass mein Ehemann und ich durch unsere persönliche Reputation das Image von Ratiopharm aufbessern würden."
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