Ex-Justizminister zur Sache Menger-Hamilton: "Das alleine darf es nicht sein"
Justizminister a.D. Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) erklärt, warum die Mitgliedschaft in einer Partei nicht ausreicht, um die Einbürgerung zu verweigern.
taz: Herr Schmidt-Jortzig, Niedersachsen verweigert Jannine Menger-Hamilton die Einbürgerung, weil sie Mitglied der Linkspartei ist. Reicht das?
Edzard Schmidt-Jortzig: Nein, das alleine darf es nicht sein. Wenn wirklich nur gegen die Antragstellerin vorliegt, dass sie Mitglied der Linkspartei ist, reicht das nach Staatsangehörigkeitsrecht nicht aus.
Also spricht die Opposition zurecht von einem Skandal?
Das ist von außen immer schwierig zu beurteilen. Soweit ich sehen kann, ist das allerdings keine Ermessens-Einbürgerung: Die junge Frau wohnt offenbar seit mehr als acht Jahren in Deutschland, sie hat einen festen Job und kann sich folglich selbst ernähren. Sie spricht deutsch und so weiter. Dann hat sie einen Anspruch auf Einbürgerung. Den könnte ihr die Behörde nur dann verwehren, wenn sie sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung oder den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines der Länder betätigt hätte.
Allerdings beobachtet Niedersachsens Verfassungsschutz Die Linke …
Trotzdem genügt nicht der Hinweis auf die Mitgliedschaft in einer Partei - auch wenn es bei der Zweifel gibt. Wenn die Partei verboten wäre, dann gäbe es einen Automatismus, dass ihre Anhänger nicht eingebürgert werden. Aber das ist hier ja offenkundig nicht der Fall. Und deswegen müssten die Einwände direkt auf die Antragsstellerin bezogen sein.
Der Kieler Staatsrechts-Professor ist Vorsitzender des Deutschen Ethikrates. Von 1996 bis 98 war der FDP-Politiker Justizminister im Kabinett Kohl und wirkte im Jahr 2007 als Gutachter an der jüngsten Novelle des Staatsangehörigkeitsgesetzes mit.
Das Staatsangehörigkeitsgesetz spricht von "tatsächlichen Anhaltspunkten". Aber was bedeutet "tatsächlich"?
Es muss wirklich von ihr aktiv etwas unternommen worden sein. Bloße Vermutungen reichen da ebenso wenig aus wie die Mitarbeit in einer Partei, die der Verfassungsschutz im Visier hat.
Zugleich fordert das Gesetz, etwas idealistisch, "ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung" …
Das sind ja ganz unterschiedliche Dinge. Paragraf 10, den Sie da zitieren, definiert die Anspruchsvoraussetzungen: Die Antragstellerin muss dieses Bekenntnis abgeben, um einen Anspruch auf Einbürgerung zu haben.
Aber da sagt Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU): Das Bekenntnis der Linken zur freiheitlich demokratischen Grundordnung ist bloße "Camouflage". Könnte das bei der juristischen Bewertung eine Rolle spielen?
Eher weniger - denn es wird ja eben nicht von der Linken ein Bekenntnis verlangt. Sondern von der Antragstellerin. Das ist eine förmliche Erklärung. Und wenn das geschehen ist, kann die Einbürgerungsbehörde erläutern, warum sie diese Erklärung nun für unglaubwürdig hält. Dafür hätte sie sich aber, wie gesagt, auf die "tatsächlichen Anhaltspunkte" zu stützen. Die müsste die Behörde dartun, notfalls auch vorm Verwaltungsgericht. Ein Verfahren dort könnte allerdings brisant werden.
Inwiefern?
Die Behörde könnte behaupten, es ist alles so geheim, da stecken bei uns die Nachrichtendienste drin: Wenn jetzt bekannt wird, wie wir diese Szene ausforschen, hätte das ganz fürchterliche Folgen. Sie könnte also theoretisch die Auskunft verweigern.
Und dann?
Normalerweise würde das Gericht die Behörde wohl auffordern, ihm die Argumente für die Geheimhaltung in geschlossener Beratung vorzulegen, um selbst zu entscheiden, ob die denn wirklich so stichhaltig sind. In letzter Zeit haben sich die Gerichte von dieser Geheimnistuerei immer weniger beeindrucken lassen. Die sagen: Nein, Freunde, das ist alles nicht so dramatisch - und verlangen, dass vorgelegt wird. Entweder die Behörde tut das - oder sie hat den Prozess von vornherein verloren.
Dann würde sie sich besser gar nicht für die Parteimitgliedschaft von Einbürgerungswilligen interessieren?
Nein, das ist für sich genommen unproblematisch: Man kann immer die Mitgliedschaft auch in einer nicht-verbotenen Partei als Anhaltspunkt nehmen, um nachzufragen. Das hat das Bundesverfassungsgericht schon im Rahmen der so genannten Berufsverbote in den 1970er Jahren entschieden. Aber der Antragstellerin allein aus der Mitgliedschaft einen Strick zu drehen - das geht hier nicht.
Aber die Berufsverbote sind doch damals bestätigt worden?
Ja, aber nur, weil der Antragssteller seinerzeit Beamter werden wollte. Das ist schließlich ein besonders enges Verhältnis zum Staat: Da reichten die Verdachtsmomente, um das zu unterbinden. Hier geht es aber nur um ein bloßes Zuordnungsverhältnis -eben das eines jeden Staatsangehörigen zu seinem Staat.
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