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Ex-Grüner Hasenclever"Viele Berührungspunkte zwischen FDP und Grünen"

Anlässlich des Parteitags beschwört der Ex-Grüne Hasenclever den ökologischen Geist der FDP - und beklagt den Katastrophismus früherer Parteifreunde.

Da war Hasenclever den Grünen noch grün Bild: dpa

taz: Herr Hasenclever, warum sind Sie von den Grünen zur FDP gewechselt?

Wolf-Dieter Hasenclever: Das war ein langer Prozess. Gerade als Pädagoge fand ich es schon Mitte der Achtziger Jahre bedenklich, wie wir als Grüne mit Übertreibungen und Panikmache Stimmen gewonnen haben. Wie wir vieles übertrieben haben, ohne nachher zuzugeben, dass wir es übertrieben haben.

Zum Beispiel?

Das Waldsterben. Wir haben damals immer gesagt, spätestens Mitte der Neunziger Jahre ist der Wald kaputt. Offenbar war das nicht so ganz zutreffend. Ein Segen! Oder wir haben gesagt, dass die Nato-Nachrüstung zu einem Dritten Weltkrieg führen wird. Das war offensichtlich auch nicht der Fall.

Der Parteienspringer

Wolf-Dieter Hasenclever, 61, war bis 1977 Mitglied der SPD, engagierte sich dann beim Aufbau der Grünen und wechselte 2001 zur FDP. Als Kandidat der Grünen bei der Tübinger Oberbürgermeisterwahl kam er 1997 im ersten Wahlgang auf Platz eins, unterlag aber im zweiten Wahlgang gegen die Konkurrentin von der SPD.

Anfang der Achtziger Jahre herrschte nicht nur bei den Grünen eine No-Future-Stimmung.

Richtig, aber viele Grüne halten bis heute daran fest. Dabei schulden wir der Jugend auch Zukunftshoffnung. 1991, als der erste Irak-Krieg ausbrach, prophezeiten sie: Durch die brennenden Ölquellen wird der Sauerstoff aus der Atmosphäre gezogen, der "schwarze Regen" verätzt die Menschen auch noch in Hamburg.

Das war 1991 - inzwischen schreiben wir das Jahr 2007.

Da hat sich wenig geändert! Im Jahr 2000 kamm dann die BSE-Hysterie, und bis heute verteufeln die Grünen die Gentechnik.

Ist der Katastrophismus der Grünen Taktik oder echt?

Sowohl als auch. Früher war der ehrliche Katastrophismus weiter verbreitet, heute ist das für viele auch Taktik.

Was ist bei der FDP besser?

Man kann dort in einer sehr entspannten Weise vorurteilsfrei über politische Fragen diskutieren. Man wird nicht gleich ans Kreuz genagelt, wenn man anders denkt.

Bei den Grünen schon?

Die grüne Parteiführung geht oft mit Intoleranz und moralischer Überheblichkeit an Sachthemen heran.

Woran denken Sie?

Gentechnologie, Stammzellengesetz, Fusionsforschung. Wir müssen nach vorne blicken. Die Grünen sind rückwärtsgewandt.

Sie beschreiben die FDP als "entspannt" und "vorurteilsfrei". Diskutieren Sie doch mal mit Parteifreunden über den Mindestlohn.

Ich habe keine Parteifreunde, die einen Mindestlohn fordern. Wir sind uns einig, dass sich die Politik nicht in die Tarifabschlüsse einmischen soll.

Oder über Atomenergie.

Kein Problem.

Sie sagten einmal, Sie seien bei den Grünen ausgetreten, weil sie ihnen die ökologische Wende in der Wirtschaftspolitik nicht mehr zutrauen. Die trauen Sie der FDP eher zu?

Ja. Man muss wegkommen vom grünen Konzept gezielter Subventionen für ganz bestimmte Energieträger und stattdessen auf die Ergebnisse sehen, zum Beispiel auf bestimmte Grenzwerte für den Ausstoß von Kohlendioxid. Wie das erreicht wird, ist Sache der Industrie.

Sie haben 1982 ein Buch geschrieben, "Grüne Zeiten". Darin empfehlen Sie, für Strecken unter drei Kilometern zu Fuß zu gehen oder mit dem Rad zu fahren. So würde heute kein Grüner mehr reden.

Schade eigentlich. Dass die Grünen auch für Verhaltensänderungen beim Einzelnen eintraten, war für mich eine Hauptmotivation. Man kann nicht immer nur Forderungen stellen, sondern muss auch bei sich selbst anfangen. Heute predigen viele Grüne Wasser und trinken Wein.

Die FDP ist auch nicht besser: Sie predigt den freien Markt und betreibt im Zweifelsfalle Klientelpolitik, zum Beispiel um die Apotheker vor Wettbewerb zu schützen?

Nobody is perfect.

Sie haben den Grünen einmal vorgeworfen, seit Petra Kelly hätten sie keine Vorbilder mehr. Hat die FDP Vorbilder?

Auch nur historische Figuren. Ich wünsche mir von den Liberalen dass sie wieder stärker zu ihren Vorbildern wie beispielsweise Wilhelm von Humboldt schauen.

Sie sind von einer Partei der Besserverdiener in die nächste gewechselt. Wird die Durchlässigkeit zwischen FDP und Grünen-Wählern größer werden?

Mit großer Wahrscheinlichkeit. Wir haben als ökolibertäre Grüne schon früher mit Leuten wie Hildegard Hamm-Brücher, Gerhart Baum oder Günter Verheugen über die Gründung einer liberalen Allianz nachgedacht. Es gibt viele Berührungspunkte: Bürgerrechte, Bildungspolitik und auch eine Wirtschaftspolitik à la Fritz Kuhn. Soziologisch gesehen ist die Wählerklientel ähnlich. Denken Sie an Berlin-Prenzlauer Berg. Oder an Freiburg. Auch an Orten, wo man es nicht vermutet: Ich war gerade in Westerstede bei Oldenburg. Da wimmelt es von alternativen Künstlern, von Stadtflüchtlingen mit hohem Ökobewusstsein - die wählen FDP. Weil sich die FDP da ökologisch profiliert. Sie ist den Grünen dort übrigens durchaus freundschaftlich verbunden. Ich denke, an der Basis tut sich was.

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3 Kommentare

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  • V
    vic

    Mit der FDP fusionieren heißt, vor gar nichts mehr zurückzuschrecken.

    Die Linke löst momentan Panikreaktionen aus...

  • V
    vic

    Mit der FDP fusionieren heißt, vor gar nichts mehr zurückzuschrecken.

    Die Linke löst momentan Panikreaktionen aus...

  • V
    vic

    Mit der FDP fusionieren heißt, vor gar nichts mehr zurückzuschrecken.

    Die Linke löst momentan Panikreaktionen aus...