Ex-Bildungsministerin über Besoldung: "4 Milliarden mehr pro Jahr"
Nachdem das Verfassungsgericht die Professoren-Besoldung kippte, verteidigt Exbildungsministerin Bulmahn (SPD) die Regelung und geht von Mehrkosten in Milliardenhöhe aus.
taz: Frau Bulmahn, Professoren bekommen zu wenig Geld - haben Sie versagt, als Sie 2005 die Bezahlung von Hochschullehrern neu geregelt haben?
Edelgard Bulmahn: Umgekehrt gefragt, halten Sie es für richtig, dass Professoren alle zwei Jahre ein höheres Gehalt erhalten, weil sie älter werden? Im alten System gab es Alterszuschläge und keine leistungsbezogene Besoldung. Das Prinzip der leistungsbezogenen Besoldung habe ich eingeführt und genau das hat das Bundesverfassungsgericht auch für verfassungskonform erklärt.
Sie fühlen sich nicht für die W-Besoldung insgesamt verantwortlich - wer ist schuld, dass das W nicht für Wissenschaft, sondern für wenig steht?
Die Beamtenbesoldung liegt in der Zuständigkeit der Länder. Das Professorengehalt W2 - Ausgangsgehalt plus Leistungszuschläge - hat im Land Hessen nicht die Höhe erreicht, die das Bundesverfassungsgericht für adäquat erachtet.
Das Urteil betrifft nicht nur Hessen - in Berlin bekommen Professoren noch weniger.
50, hat als SPD-Bundesministerin für Bildung und Forschung 2005 die W-Besoldung eingeführt.
Das Problem ist doch ein anderes: Die Hochschulen müssen in allen Bundesländern eine höhere Grundfinanzierung bekommen. Dann haben sie die Möglichkeit, ausreichend hohe Leistungsbezüge zu bestimmen. Die Idee war: Nicht nur der Professor, der lange im Amt ist, bekommt ein hohes Gehalt, sondern auch der gute junge Professor.
Belohnt wurden so Professoren, die viele Drittmittel einwerben können - aber nicht die Geisteswissenschaftler. Woher soll jetzt mehr Geld kommen?
Erstens: Geisteswissenschaftler werben auch Drittmittel ein, und nicht zu knapp. Zweitens: Es sollte nicht nur Forschung, sondern auch gute Lehre und Nachwuchswissenschaftlerförderung belohnt werden. Und Drittens muss der Bund schnell die Möglichkeit haben, sich an der Grundfinanzierung der Hochschulen zu beteiligen. Deshalb muss das Kooperationsverbot fallen und die Mitfinanzierung ermöglicht werden.
Um wie viel Geld geht es?
Wir müssen pro Jahr mindestens 4 Milliarden Euro mehr für die Grundfinanzierung der Hochschulen bereitstellen. Die Projektförderung der Hochschulen ist im letzten Jahrzehnt um 20 Prozent gestiegen - die Grundfinanzierung aber nur um 6 Prozent.
Das liegt auch daran, weil Sie Eliteunis gefördert haben. Wird Ihre Nachfolgerin Schavan die Finanzierung neu aufstellen?
Ich habe auch die Juniorprofessur und Nachwuchswissenschaftlerprogramme ins Leben gerufen. Frau Schavan muss sich nun zunächst in ihrer eigenen Partei durchsetzen, das ist ihr bisher nicht gelungen. Nichtsdestotrotz: Die Finanznot der Länder wird bald so groß sein, dass sie bereit sein werden, den Bund mehr mitmischen zu lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland