: Ex-BKA-Chef wird Berater in Ost-Berlin
Beim ersten deutsch-deutschen Ministertreffen vereinbarten Schäuble und Diestel enge Zusammenarbeit / Innerdeutsche Schlagbäume fallen bis zum Sommer ■ Aus Bonn Ferdos Forudastan
Heinrich Boge, jüngst pensionierter Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), wird Berater des neuen DDR -Innenministeriums. Dies vereinbarten Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und sein Ostberliner Amtskollege Peter Michael Diestel bei ihrem ersten Treffen in Bonn. Überhaupt soll für die polizeiliche Zusammenarbeit zwischen BRD und DDR die noch bestehende Grenze nicht mehr gelten: Bis zum Sommer wollen die beiden Staaten alle innerdeutschen Grenzkontrollen abschaffen, um dann alle Maßnahmen „an die Außengrenzen von BRD und DDR zu verlagern“, so Schäuble gestern.
Dazu soll die Ausländer- und Visumpolitik gegenüber Drittländern „harmonisiert“ werden - sprich: die DDR soll sich auch hier der Bundesrepublik angleichen. Zum Zwecke „des Abbaus der Innen- und der Wahrung der Außengrenzen“, wie Diestel es formulierte, haben die Innenminister auch noch einiges andere vereinbart: Es werden gemeinsame Arbeitsgruppen eingerichtet, die die Rauschgift- und Terrorismusbekämpfung koordinieren sollen. Auf die Frage, wie man derzeit in der DDR die Notwendigkeit einer „Terrorismusbekämpfung“ überhaupt legitimieren kann, antwortete Diestel: „Wir haben einen Ministerpräsidenten, der fast identische politische Auffassungen mit Ihrem Kanzler hat, also wird für diesen Politiker die gleiche Gefährdung bestehen wie für ihren Bundeskanzler.“ Außerdem gehe man davon aus, daß schon jetzt einige Politiker gefährdet seien. Auch ihren Datenschutz will die DDR offenbar an dem der Bundesrepublik orientieren, „uns schwebt da das gleiche vor“, so Diestel. Die beiden Innenministerien wollen Mitarbeiter aus der gesamten öffentlichen Verwaltung austauschen.
Sowohl Bundesinnenminister Schäuble als auch DDR -Innenminister Diestel betonten mehrfach, daß die DDR und die BRD „alle nachrichtendienstlichen Tätigkeiten gegeneinander einstellen“, sprich: sich künftig nicht mehr bespitzeln würden. Außerdem bestritt Schäuble, daß der bundesdeutsche Verfassungsschutz sich auf das Gebiet der DDR ausdehnen möchte. Allerdings: Für den sogenannten „militärischen Bereich“ räumten die Politiker ein, „vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Bündniszugehörigkeit“ wolle man bis zu einer Regelung bei den Zwei-plus-vier -Gesprächen weiter ausspähen.
Mit der Stasi-Vergangenheit scheint Peter Michael Diestel so schnell wie möglich abschließen zu wollen: „In Kürze“, mit Hilfe „rigoroser Lösungen“, und „absoluter Bereitschaft“ wolle er „dieses Problem lösen“, sprich: verdrängen. Die Stasi-Informationen über Betroffene sollten so verwendet werden, das dies niemandem schade. Sowieso müsse die Beweiskraft aller Stasi-Akten in Frage gestellt werden, die Stasi sei eine „mafiaähnliche Organisation“ gewesen.
Klarheit über die künftige Rolle des öffentlichen Dienstes in einem vereinten Deutschland hatte der Deutsche Beamtenbund mit Blick auf den Bonnbesuch Diestels verlangt. Der DDR-Innenminister kam ihm entgegen: Dem „Gedankengut“ des Beamtenstatus stehe er sehr aufgeschlossen gegenüber.
Gestern abend sollten in Bonn auch erstmals die beiden deutschen Arbeitsminister zusammentreffen. Die Wirtschaftsminister Haussmann und Pohl wollen sich am Donnerstag in Ost-Berlin treffen. Die Forschungsminister Riesenhuber und Terpe treffen sich am Montag. Für den 30. April hat Bundestagspräsidentin Süssmuth eine Einladung ihrer Volkskammerkollegin Bergmann-Pohl angenommen. Siehe Seite 4
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