■ Europol: Eine sinnvolle Idee wird zum Skandal: Datenschutz ist nicht vorgesehen
Das Übel trägt einen Namen: „Entwurf von Durchführungsbestimmungen für die Arbeitsdateien zu Analysezwecken für Europol“. Geregelt wird darin, wie in der europäischen Polizeizentrale künftig mit Daten, Dateien und Datenverarbeitung verfahren wird. Haarsträubendes findet sich darin. So sollen in den Rechnern der Polizeizentrale nicht nur Name, Geschlecht oder Staatsangehörigkeit potentieller Krimineller gespeichert werden. Als „besondere personenbezogene Daten“ sollen auch die Merkmale „rassische Herkunft“, „politische Anschauungen“, „religiöse und andere Überzeugungen“ oder „Angaben zum Sexualleben“ erfaßt und ausgewertet werden können. Ein Rückfall in die Steinzeit des Datenschutzes. Politisch sind die Bestimmungen ein Skandal. Das ist die Schattenseite von Europol.
Ohne Zweifel ist es sinnvoll, im Prozeß des Zusammenwachsens der europäischen Staaten auch deren Polizeibehörden zusammenzufassen. Nur, die anstehende Ratifizierung der Europol-Konvention hat mit Demokratie, das heißt mit Transparenz und Mitbestimmung, herzlich wenig am Hut. Bisher wurde der Öffentlichkeit Europol als reaktive Sammel- und Auswertungszentrale verkauft. Nun räumt Staatssekretär Lintner ein, langfristig solle Europol doch zu einer aktiven Fahndungsbehörde ausgebaut werden. Das ist insofern von einiger Bedeutung, als die Europol-Konvention keinerlei greifende Kontrolle, sei sie nun gerichtlich oder parlamentarisch, über das neue europäische Polizeiamt vorsieht.
Besonders pikant ist der vorgesehene rechtliche Status für die Europol-Beamten. Demnach dürfen sie nicht nur in den Mitgliedsstaaten der EU ermitteln, sondern auch noch für das, was sie dort tun, strafrechtlich nicht belangt werden können. Sie sollen eine „Immunität“ genießen, als ob sie Diplomaten wären. Dieses Privileg kann zwar vom Europol-Direktor aufgehoben werden. Das bedeutet aber nur: Der Chef der Eurocops entscheidet selbst, ob seine Mitarbeiter (etwa wegen Datenmißbrauchs) gegebenenfalls juristisch zur Verantwortung gezogen werden können.
Die Idee von Europol, also die von einer gemeinsamen europäischen Verbrechensbekämpfung, ist durchaus plausibel. In der Art und Weise, wie diese durchgesetzt werden soll, bleiben freilich nicht nur Bürgerrechte auf der Strecke. Eine nicht kontrollierbare Superpolizei auf Europaebene kann niemand wollen. Wolfgang Gast
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